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Das unheimliche Haus

  K. Aue.

Der Siz des Criminalgerichtes (Sitz der Untersuchungsabtheilung des Kreisgerichtes) in Weimar ist ein altes, dem Kornhause, sonst der Kirche des Barfüßerklosters und dem Hause eines Kaufmannes, sonst Kloster der Barfüßernonnen, gegenüberliegendes Haus, gehörte anfangs zu dem erstgenannten Kloster und war zulezt in dem Besitze eines gewissen adeligen Geschlechtes, welches das Haus vermiethete. Darum war es zu verschiedenen Zeiten von verschiedenen Leuten bewohnt, aber Keinem gefiel es lange, denn ein Geist quälte die Bewohner sonderlich einige Tag und Nacht. So mußte eine adelige Frau das Haus räumen, um Ruhe zu bekommen. Gewöhnlich verkündete starkes Poltern, Schlagen der Thüren und dergleichen die Ankunft des Geistes, die meist bei Nacht statt hatte. In einigen Gemächern warf er die Schlafenden aus den Betten und trieb sein Wesen in allen Theilen des Zimmers zu gleicher Zeit. Kein Riegel half. Blieb man die Nacht auf und erwartete bei Licht den Geist, so war er zur bestimmten Zeit, meist Mitternacht, mit einem Male in Mitte des Zimmers und mißhandelte die Anwesenden. So ging es unter Anderen in den Jahren der französischen Kriege einem Hauptmann, der da wohnte. Dieser Mann war Verächter der Erzählungen von spukenden Geistern und wollte nichts glauben von den Spuknissen des Hauses, bis er sie selber wahrnahm. Denn bald nach seinem Einzuge ward er Tag und Nacht geplagt von dem Geiste, der bald unsichtbar, bald in Gestalt eines Männleins von der Farbe des Löschpapiers erschien. Der Hauptmann beschloß dem Geiste zu trotzen. Mit einigen Genossen und bewaffnet erwartete er den Geist. In der Stunde der Mitternacht stand der Geist in seinem Zimmer und warf die Stühle umher. Die Krieger hieben auf ihn ohne Wirkung, denn die Hiebe verwundeten nicht, obwohl sie ihn zu spalten schienen, was ein Geräusch gab, als wenn man durch Papier hieb. Wie Andere sagen, drehte er die auf dem Tische liegenden Pistolen nach ihren Eigenthümern herum, und die ihm zugedachten Hiebe verwundeten die Angreifer selbst. Zur Strafe mißhandelte sie der Geist gräulich. Das Ende war, daß der Hauptmann alsbald auszog. Als endlich das Haus zu dem gegenwärtigen Gebrauche eingerichtet war, wich der Geist und man sah und hörte nichts Unheimliches mehr.

Quellen: