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Der Lindwurm bei Leutnitz

In der Umgegend von Blankenburg hauste in alter Zeit ein ungeheurer Lindwurm, der sein Lager in einer großen Höhle bei Leutnitz hatte, von der man noch jetzt die Spuren sehen kann.

Wenn der Lindwurm Durst hatte, so streckte er seinen Leib bis zum Rinneflüßchen hinüber, ohne daß er dabei mit den Hinterfüßen und dem Schwanze seine Höhle verließ, und wenn er seinen Durst stillte, mußte die abwärts gelegene Mühle mehrere Stunden lang still stehen. Menschen und Thiere, die in seine Nähe kamen, waren unrettbar verloren. Was das Ungeheuer verschlungen und verzehrt hatte, ging als weiße Kalkmilch wieder von ihm. Mit der Zeit versteinerte diese Kalkmilch und es entstand daraus der weiße, schöne Schwerspath, der bei Leutnig in der Nähe der ehemaligen Lindwurmshöhle gebrochen wird.

Als die fromme Paulina, welche das Kloster Paulinzelle erbaut hat, einst von diesem Lindwurm bedroht war, rief sie den Schutz des Himmels an, und dem Unthier, das eben seine Beute verschlingen wollte, sprang der Unterkiefer des Rachens aus der Pfanne. Unverlegt zog Pauline vorüber, der Lindwurm konnte aber fortan seinen Rachen weder schließen noch öffnen. Mit weit aufgesperrtem Rachen lag das Thier nach mehreren Tagen, als sein Hunger immer heftiger wurde, auf der Lauer und in der Erwartung da, daß irgend ein Mensch oder ein Thier in seines Leibes weite Höhle gerathen möchte. Kein Mensch, kein Thier ließ sich sehen oder hören, denn Alles floh den Ort seines Aufenthaltes. Endlich kam des Wegs ein fremder Fuhrmann mit einem schweren Wagen daher und über des Thieres harte Zunge, die gleichsam eine Brücke von der Fahrstraße in den Rachen des Lindwurms bildete, rollte der Wagen in den hohlen Leib desselben hinab. „Johann! Wir haben uns verfahren und müssen umwenden!„ rief der Fuhrmann seinem Knechte zu, kehrte mit seinem Wagen um und kam glücklich wieder aus dem Leibe des Lindwurms heraus. Um aber den rechten Weg nicht noch einmal zu verfehlen, zündete der Fuhrmann seine Laterne an und gewahrte nun mit Schrecken und Schaudern, welchen gefährlichen Weg er gefahren und wohin er sich verirrt gehabt hatte, zugleich erkannte er aber auch den Zustand des Thieres. Ohne Säumen nahm er seine scharfe Art zur Hand und hieb dem Lindwurm eine hochangeschwollene Halsader entzwei. Das schwarze Blut floß Monate lang aus der tödtlichen Wunde und verwandelte die Gegend auf lange Zeit in einen Sumpf. Da, wo der Lindwurm seinen Tod fand, gibt es noch heute nasse Wiesen und Felder.

Quellen: