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Von der Judasmühle

In jenen Zeiten, als noch dichte Wälder die Gegend überall bedeckten, lag im Grunde zwischen Rudolstadt und Teuchel eine Mühle, nach ihrem Besizer Judas Kauz die Judasmühle genannt und in der ganzen Umgegend weit und breit verrufen. Denn der Müller war ein Erzbösewicht, welcher die Reisenden unter allerlei Vorgeben in sein Haus lockte, ihrer Habe beraubte und dann ermordete und auf diese Weise großen, ungerechten Reichthum an sich brachte. Des Müllers Sohn, rothhaarig wie der Vater, mußte demselben bei seinem grausamen Geschäfte Gehilfe sein und die Tochter mit goldgelben Haaren die Gemordeten begraben.

Eines Tages, als der alte Müller gerade nicht daheim war, verirrte sich ein Prinz mit seiner Schwester, die oberhalb Teuchel von Räubern waren angefallen worden, in diese Mühle und suchten Schutz und Zuflucht darin. Als sie beweglich um Aufnahme baten, rührte ihre Artigkeit und Schönheit dergestalt die wilden Gemüther der beiden Müllerskinder, daß sie dem Prinzen und der Prinzessin das Leben zu erhalten beschlossen, wenn diese den Sohn und jener die Tochter des Müllers heiraten wollten. Der verirrte Prinz willigte mit seiner Schwester ein in dieses Verlangen, da sie ja ganz ohne Hilfe und Beistand in dieser Wildniß waren und auch wohl gehört hatten, daß bei der Heimkunft des alten Müllers ihr Leben. unvermeidlich verloren sei. Man traf nun sogleich Anstalten zur Flucht. Der Müllerssohn nimmt von des Vaters Schätzen soviel mit sich als er tragen kann, während seine Schwester sich nur mit wenig Kost und Nahrung versieht. Sie versteckt sich zunächst mit ihrem Prinzen in das dickste Gebüsch des Kreuzgrabens, ihr Bruder aber verbirgt sich mit der Prinzessin an einem anderen Orte. Als Abends ihr Vater in die Mühle kommt, findet er das Haus leer und einen guten Theil seiner Schätze entwendet; in der ersten Wuth und Aufregung über diese Entdeckung schwört er seinen Kindern den Tod, doch nach und nach besinnt er sich wieder und beschließt, ihnen zu vergeben, wenn er sie nur wieder finden könnte. Er macht sich auf den Weg sie zu suchen, aber erst nach einigen Tagen fand er im Kreuzgraben seine Tochter mit dem Prinzen, die eben Anstalten machten, weiter zu ziehen. So zornig sich auch der Müller anfangs gegen beide bezeigt, so läßt er sich doch endlich begütigen, zumal da die Tochter alle Schuld dem Bruder gibt, der sie zu diesem Unternehmen beredet habe. Nun wendet sich des Vaters Grimm gegen den Sohn, den er mit der Tochter und dem Prinzen rastlos sucht. Eines Tages sahen sie in der Ferne aus dem Walde Rauch aufwirbeln, sie eilen der Gegend zu und finden den Sohn, der eben für seine Prinzessin ein Mahl bereitet. Der Vater will ihn sofort in das Feuer stürzen, aber der Sohn sucht ihn zu besänftigen und stellt ihm vor, daß er nur deshalb geflohen sei, um das böse Räuberhandwerk zu verlassen, das ja kein gutes Ende nehmen könne und beruft sich dabei zum Beweis, daß er recht daran gethan habe, auf eine Feuerprobe. Er wirft nämlich von sich und seiner Schwester Haare in's Feuer, die nicht verbrennen, sondern in Gold sich verwandeln und zusammenschmelzen. Aber nichts kann den erzürnten Vater milder stimmen und er geräth nur noch in größeren Zorn, da der Sohn ihm seine vielen Räubereien und abscheulichen Mordthaten der Reihe nach vorhält. In seiner Verstocktheit will er den Sohn mit der unschuldigen Prinzessin in's Feuer werfen; da aber die Kinder ihn daran hindern und mit ihm ringen, so geschieht es, daß er selbst von ungefähr in die Flamme fällt, die so schnell ihn ergreift und so hastig sich ausbreitet, daß ihn Niemand retten kann. Alle umherstehenden Bäume und Dornen werden alsbald vom Feuer erfaßt, so daß die Kinder eiligst fliehen müssen, um nur ihr Leben zu retten. Sie kehren nochmals zur Mühle zurück, nehmen die noch vorhandenen Schätze mit sich und ziehen nun in des Prinzen Land, wo die Müllerskinder mit der Prinzessin in ein Kloster gehen, der Prinz aber anderweitig sich vermält.

Quellen: