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Das Schloss Dienstberg bei Erfurt

  Falkenstein Historie von Erfurt S. 184 f.

Vor Zeiten hielten die Bürger in Erfurt ihren Walperzug und durften dabei im mainzischen Gehölze, die Wagweide genannt, vier Eichen fällen, den vier Rathsherrn zu Ehren. Die Ursache des Zugs soll diese gewesen sein.

Es lag auf der Kuhweide ein festes Schloss, darin sich Räuber aufhielten. Nun war ein Fleischhauer aus der Stadt verwiesen. Der kam im Felde zu ihnen und sie nahmen ihn als Koch mit sich in das Schloss, dazu sie durch verborgene Wege unter der Erde kamen. Nach einer Zeit waren die Räuber ihrer Gewohnheit nach auf weissen Pferden ausgeritten und hatten den Schlüssel einer alten Frau anvertraut. Da bat der Koch die Frau, dass sie ihn nur auf eine kleine Zeit wolle ausgehen lassen, und nachdem er dieses erlangt hatte, lief er in Eile der Stadt zu, verlangte, dass vom Rathe Iemand zu ihm herausgeschickt werden möchte, dem er eine grosse Heimlichkeit offenbaren wollte. Als nun Einige zu ihm kamen, so versprach er ihnen das Schloss ohne Mühe in die Hände zu liefern, wenn sie ihn als einen ehrlichen Bürger wieder aufnehmen wollten. Man gab ihm dieses Versprechen und er sagte ihnen weiter, dass sie auf eine gewisse Stunde, die er ihnen schon offenbaren wollte, wenn die Räuber auf Beute ausgeritten wären, auf weissen Pferden vor das Schloss kommen sollten, damit die andern gedenken möchten, ihre Kameraden fämen wieder zurück; da wollte er sich des Schlüsszels bemächtigen und ihnen das Thor aufmachen. Dieses ging nun alles richtig an und die Räuber, welche im Schlosse waren, wurden gefangen genommen. Des folgenden Tages kamen die weggerittenen auch wieder und weil sie von dem, was geschehen war, nichts wussten, ritten sie ganz unbesorgt zum Schlosse hinein, wurden alsbald festgenommen und ihnen nachgehends ihr Recht gethan. Das Schloss aber wurde gänzlich zerstört.

In einer andern Chronik wird die Sache so beschrieben. Da dievEdelleute Friede hielten, ehe sie die Leute beraubten, gingen die Bürgervauf die Wagweide ins Schloss Dienstberg zum Biere, wie jetzt nach Daberstädt. Als aber die Edelleute zu Räubern wurden, kam Kaiser Rudolf nach Erfurt und ritt hinaus nach Dienstberg. Da wurde durch die Erfurter alles zerschlagen und das Schloss zerstört. Die Edelfrau hatte zwei junge Söhne, die behing sie mit allem ihren Geschmeide, kam heraus und that dem Kaiser einen Fussfall und bat um der Kinder Leben, welches sie auch erhielten und auf Pferden nach Erfurt gebracht wurden.

Beim Walperzuge nun, den man zum Gedächtniss „I üfel“ gehalten hat, pflegte man auch zwei Knaben mit güldenen Ketten und Geschmeide auszuputzen und zu Pferde mit in die Stadt einzuführen. Wiewohl nun die Wagweide oder Wagede dem Erzstifte Mainz gehörte, so verdienten die Bürger mit diesem Zuge in das mainzische Gehölze nicht allein keine Ungnade, sondern auch eine solche Freiheit, dass sie von der Zeit an alle Jahre den letzten April des Abends einen Haufen. Träger und Zimmerleute auf die Wagede durften gehen lassen, welche vier Eichbäume umhieben und des Nachts über Wache hielten, bis den Tag darauf am 1. Mai etliche Compagnien Bürger und Bauern wie in einem Heerzuge zu Ross und Fuss mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiel in den genannten Wald zogen, sich dort ein paar Stunden lagerten, ihr freies Waffenrecht ausübten und dann mit grünen Büschen in guter Ordnung unter dem Donner des groben Geschüsses auf der Cyriaksburg und Trommelschlag und Trompetenklang sich wieder nach Hause begaben.

Quellen: