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Die Kirche zum heil. Brunnen

  Hogel's Chronik. Manuscript S. 150 ff.
  Falkenstein Historie von Erfurt. S. 89 f.

Es begab sich im Jahre 1250, dass eines Sonntags ein Barfüsser Mönch von Eisenach nach Erfurt gelaufen kam und berichtete, es wäre unlängst ein fremder Mann nach Eisenach gekommen und hätte, als er krank gewesen, unter andern Sünden auch gebeichtet, dass er im vorigen Jahre am heiligen Abende vor Mariä Verkündigung des Nachts die St. Martinskirche intra zu Erfurt erbrochen, das Sacramentshäuslein geöffnet und die silberne Monstranz mit neun Hostien gestohlen habe. Damit sei er auf den Rossmarkt gelaufen und habe die Hostien aus der Monstranz in die nächste schlammige Grube geworfen. Weil nun diese Hostien, meinte der Mönch, gewiss schon consecrirt gewesen und in den Leib des Herrn verwandelt, er es aber für ein Greul halte, dass dieselben in einer Pfütze liegen sollten, so habe er dieses den Geistlichen berichten wollen, sie möchten nun am angezeigten Orte den Leib des Herrn suchen und an eine geweihte Stätte bringen. Man lief hin, fand die Hostien und wie man erzählt, soll die Pfütze allenthalben gefroren gewesen sein ausser an der Stelle, wo die Hostien lagen in dem Corporal trocken noch eingewickelt, wie sie der Dieb hingeworfen hatte. Auch kam ein Caplan herbei und sagte, er hätte manche ganze Nacht gesehen, dass es daselbst so licht und helle gewesen wäre.

Dieses Gerücht kam auch vor den Erzbischof Christian II. von Mainz, der damals zu Erfurt war. Dieser nahm die Sache so zu Herzen, dass er eilends eine grosse Litanei und Prozession anstellte, selber mit Singen und Beten auf den Rossmarkt ging samt der ganzen Clerisei, seinen Herrgott mit tiefer Ehrfurcht aus der kalten Pfüsse, darin er leider gefallen war, aufhub und mit dem Corporal auf den Dom trug. Dort that er eine Predigt zum versammelten Volk und ermahnte, man sollte zum Gedächtniss solches Wunderwerks auf der Gruben eine Kirche hinsetzen und jährlich diesen Tag der Erfindung des heil. Leichnams Christi feierlich begehen. Solches geschah. Es fand sich ein Bürger, Namens Ulrich Vierling, der an jenem Orte auf dem Rossmarkte zur Mittagsseite an der Pfüsse eine Kirche, zum heiligen Brunnen genannt, hinsetzen liess. Auch eine Pfründe für einen Messpriester ward darin gestiftet und noch anno 1479 ist ein Collegiat in der Himmelspforte Domherr zum heil. Brunnen gewesen.

Man findet diese Historie im Dom und etlichen andern Kirchen abgemalt; dazu hat man folgende alte Reime:

Man schreibt tausend und zweihundert Jahr
Und neun und vierzig, das ist wahr,
Da dies Sacrament gestohlen ist,
Ueber fünf Monden es geschah,
Dass ein Dieb kam gen Eisenach,
In seiner Beicht hats offenbahrt,
Dass dies Sacrament funden ward.
Hie funden sie den wahren Gott
In der Gestalt der Himmel Brot. Aus Freuden sprachen sie alle süss
Nunc venite, adoremus
Ihn Gott Vater, Bischof zu Maynz
Erhoben hat dies Sacrament
In neun Particuln aus dem Born
Da sonst alle Wasser warn gefrorn.

Quellen: