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Die Kirche der Geister

Der Magd des Stadtkirchners in Weimar deuchte einmal in der Christnacht es müsse Zeit sein die Kirche zu öffnen. Sie stieg auf und sah die Kirche erleuchtet. Aengstlich machte sie auf und war heftig betroffen, da sie die ganze Kirche voll kleiner Mönche sah, die nicht höher waren als einer Elle. Augenblicklich zog sie sich zurück. Man hatte sie aber wahrgenommen und warf ihr eine grosse Kugel nach, die sie aufhub und floh. Ausser sich ging sie heim, erzählte den Vorfall und starb vor dem neunten Tage. Die Kugel war von Golde und soll noch aufbewahrt werden, doch ist ungewiss von wem und wo.

Man erzählt von dieser Kirche noch folgende Sage. Als der Herzog Wilhelm dieselbe, die vor Zeiten eine katholische Kirche war, zu einer protestantischen einweihen liess, verbot er den Mönchen die Kirche je wieder zu betreten und keinen Fuss in dieselbe zu sehen. Und weil die Mönche sie in Eile verlassen mussten, vergassen sie auch ihre grossen Schätze, welche darin verborgen waren, mitzunehmen. Diess ärgerte sie ganz besonders und sie gruben deswegen vom Kornhause, was ihr Kloster war, einen Gang unter dem Hause hinweg zu der Kirche und räumten in einer Nacht alles Werthvolle heraus. Wegen dieser That mussten sie nach ihrem Tode alljährlich eine Stunde vor der Christmette in der Kirche erscheinen und unter Gepränge in Prozession so lange in der Kirche umher ziehen, bis der Kirchner die Lichter anzündete. Alsdann verschwanden sie wieder, einer nach dem andern.

Quellen: