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Der Strudel bei der Rudelsburg

  Thüringen und der Harz IV, 103.

Dicht unter dem Felsen, worauf die Rudelsburg liegt, bildet die Saale einen Strudel, davon erzählt man folgende Sage.

Die Besitzer der Rudelsburg und der Krainburg am jenseitigen Ufer der Saale lebten in guter Nachbarschaft und waren einander treue Freunde. Der schmale Fluss trennte ihre Besitzungen, aber auch dieser war unter sie getheilt, denn die Fischerei in demselben war beiden gemeinschaftlich. Der Herr der Krainburg hatte einen einzigen Sohn und der Besizer der Rudelsburg eine Tochter, und beide Väter wünschten ihre Kinder einst mit einander zu vermählen. Diese gute Nachbarschaft hatte zwischen den beiden Burgherrn lange Zeit bestanden. Da geschah es, dass der Rudelsburger, angereizt durch den Bischof in Naumburg, welcher dem Ritter der Krainburg übel wollte, uneingedenk des alten Vertrags und der guten Freundschaft sich die Fischerei in der Saale allein und ausschliesslich anmasste. Die frühere Freundschaft ging in bittere Zwietracht über und den liebenden Kindern wurde jede Vereinigung von den feindlichen Vätern streng untersagt. Sie konnten sich fortan nur heimlich sehen und sprechen. Ein leichter Fischerkahn trug gewöhnlich des Nachts den Jüngling hinüber über die Saale.

Einst sollte bei einem heftigen Gewitter das Schiffchen den Geliebten an das jenseitige Ufer bringen. Schon befand sich der Kahn in der Mitte des Stroms, da erhob sich ein furchtbarer Sturm, hoch schäumte die Saale empor und zog den Nachen in ihre Tiefe, der Jüngling landete nimmer. Vergeblich harrte die Geliebte die Nacht hindurch des Ersehnten und angstvoll eilte sie am Morgen den Burgpfad hinab an den Strand der Saale. Da gewahrte sie nahe am Ufer in dem Strome einen rothen Streif, den der Morgenwind auf den Wellen ihr zutrieb. Sie bückt sich hinab in den Fluss den Streif zu erfassen und siehe, da hält sie die Feldbinde des Geliebten, die sie ihm selbst gestickt, in ihrer Hand und sinkt hinab in die Tiefe des Flusses. An der Stelle aber, wo die beiden Liebenden ihr Grab fanden, bemerkt man noch jetzt einen Strudel.

Quellen: