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Das Futtermännchen

  Börner Volkssagen S. 241–247

Der Schafmeister in Ruppig, einer einzeln gelegenen Schäferei bei Ranis, hatte es seiner Zeit gar gut; ein kleines Männchen, das Futtermännchen genannt, besorgte ihm die ganze Arbeit und er selbst führte ein sehr gemächliches Leben. Wollte er seiner Heerde Futter geben, so war dieselbe, ohne dass er es gemerkt hatte, bereits abgefüttert; sah er nach dem Futtervorrath, so war keine Abnahme daran zu spüren; dabei war seine Heerde in der ganzen Gegend die schönste und wollreichste und kein Stück erkrankte, während anderwärts die Schafställe oft bis zur Hälfte ausstarben. Das alles bewirkte, wie gesagt, ein kleines Männchen, das sich zur Nachtzeit in den Stall schlich und darin in aller Weise handthirte, der Schäfer aber that, als ob er nichts merke und liess das wunderliche Männlein ganz nach Belieben schalten und walten. So war es viele Jahre recht gut gegangen und der Schäfer hatte sich dabei ganz wohl befunden.

Da sieht derselbe an einem Wintertage, als gerade tiefer Schnee gefallen war, in der Dämmerung die Fusstapfen seines kleinen Futtermännchens im Schnee abgedrückt und bemerkt auch, dass es barfuss laufen muss. Das geht ihm zu Herzen, das kann er nicht mit ansehen noch ferner so gehen lassen, dieser Noth muss Hilfe werden. Vorsichtig und genau nimmt er in den Fusstapfen im Schnee das Mass zu ein Paar Schuhen für den kleinen Stallgeist, lässt solche machen und trägt sie, als es Abend wird, in den Schafstall und will in seinem Versteck nur mit ansehen, wie sich das Männlein über die Bescherung freuen wird. Das kam nun freilich ganz anders. Als das Futtermännchen in den Stall geht, nimmt es wohl die Schuhe in die Hand, spricht aber ganz traurig: „ach! nun wissen sie es und ich muss fort. “ Von diesem Tage an hat der Schafmeister seine Arbeit selber thun müssen und dennoch ist es mit ihm und seiner Herde rückwärts gegangen.

Ein solches Futtermännchen hatte sich auch auf dem Gute eines Bauern in Thiemendorf eingefunden und von selbst die Besorgung des Viehes übernommen, das unter dieser Pflege auch wunderbar gedieh. Die Ochsen und Kühe dieses Bauern waren stets rund und glänzend, von Käufern weit und breit gesucht. Und das alles brachte der kleine Hausgeist zu Wege. Weil aber das Männlein selbst sehr thätig und überall bei der Hand war, so war es auf träge und unordentliche Dienstboten sehr ungehalten und that ihnen für ihre Faulheit und Unordnung allerlei Possen und Schabernack an. Das verdross nun die Leute und so kam es, dass kein Knecht und keine Magd lange auf diesem Bauerhofe bleiben wollte. Ja der Bauer selbst fühlte sich zuweilen in seiner Behaglichkeit gestört; es wurde ihm unheimlich zu Muthe, wenn sich das Männchen in seinem alten grauen Kittel sehen liess. Er kam auf den Gedanken sich gegenüber ein neues Haus zu bauen. Gedacht, gethan. Bald stand auch das Haus fertig da und der Tag des Einzugs war bereits bestimmt und man hoffte dadurch des unheimlichen Gastes sich zu entledigen. Da sah man am Abend vor dem Umzuge noch spät das bekannte Männchen am Bache, der vor dem alten Wohnhause vorüberfloss, sitzen und gar emsig sein altes graues Röcklein ins Wasser tauchen und darin hin und her ziehen. Was machst du da?“ rief jemand ihm vom Fenster zu. Ohne sich eben stören zu lassen antwortete der Kleine:

„da wisch' ich und wasch' ich mein Röckchen mir aus, denn morgen beziehn wir ein neues Haus.“

So waren denn alle die Anstalten und Anstrengungen, die man gemacht, den unheimlichen Hausgenosszen los zu werden, rein vergeblich gewesen und es blieb dem Bauer nichts übrig als sich in seinem neuen Hause in das unvermeidliche Geschick zu fügen.

Nach vielen Jahren kam ein fremder Mann ins Haus und übernachtete daselbst. Das Gespräch kam auch auf den kleinen Hausgeist und man klagte seine Noth. „ Ei, “ sagt der Fremde„,wollt ihr ihn los sein, lasst ihm nur ein neues Röckchen machen und legt es Abends auf den Futterkasten, dann gebt Acht, was drauf geschieht.“ Das Röckchen wird angeschafft, auf den Kasten gelegt und man steht und lauscht erwartungsvoll, was geschehen wird. Das Futtermännchen kommt zur gewöhnlichen Zeit, sieht sein Geschenk und spricht trauernd:

„da hab ich meinen Lohn;
„nun muss ich auch davon,“

und ist seit dieser Zeit nie wieder gesehen worden. Mit dem Weggange des wohlthätigen Hausgeistes ging aber auch der Viehstand und Wohlstand des Bauern sichtbar zurück und bald war zwischen ihm und dem geringsten Bauer im Dorfe kein Unterschied.

Quellen: