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Das Kind mit dem Thränenkruge

  Grimm Mythol. 3. Asgbe. S. 884 f.
  Börner Volkssagen aus dem Orlagau S. 142 f.

Einer jungen Frau war das einzige Kind gestorben. Sie weinte über alle Massen und konnte sich nicht zufrieden stellen. Jede Nacht lief sie hinaus auf das Grab und jammerte, dass es die Steine hätte erbarmen mögen. In der Nacht vor dem h. Dreikönigsfeste sah sie Perchtha nicht weit von ihr vorüberziehen, da gewahrte sie, den andern Kindern hinterdrein, ein kleines mit einem ganz durchnässten Hemdchen angethan, das in der Hand einen Krug mit Wasser trug und matt geworden den übrigen nicht folgen konnte; ängstlich blieb es vor einem Zaun stehen, den Perchtha überschritt und die andern Kinder überkletterten. In diesem Augenblick erkannte die Mutter ihr Kind, eilte hinzu und hob es über den Zaun. Während sie es so in den Armen hielt, sprach das Kind: „ach wie warm sind Mutterhände! Aber weine nicht so sehr, du weinst mir meinen Krug sonst gar zu schwer und voll, da sieh, ich habe mir mein ganzes Hemdchen schon damit beschüttet. „Von jener Nacht an, so erzählt man in Wilhelmsdorf, habe die Mutter aufgehört zu weinen. Zu Bodelwitz erzählen die Leute, das Kind habe gesagt: „ach wie warm ist Mutterarm “ und seiner Bitte „Mutter weine nicht so sehr“ dann noch die Worte beigefügt: “ ich muss ja jede Zähre, die du weinest, in meinen Krug sammeln.“ Da weinte sich die Mutter noch einmal herzlich aus.

Quellen: