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Das verwünschte Bergwerk bei Wilhelmsdorf

  Thuringia. 1843. S. 136

In der Nähe von Wilhelmsdorf wurde sonst reicher Bergbau getrieben. Grube reihte sich an Grube und viele Bergleute bezogen daraus reichen Lohn und Unterhalt. Unter diesen Bergleuten war ein junger Arbeiter, dessen Mutter hart an der Gicht darnieder lag. Der Sohn pflegte sie in aller Weise, kochte ihr Suppe, wenn sie Hunger spürte, hob und trug sie, wohin sie verlangte, von einer Stelle zur andern, und wich, wenn er Schicht gemacht hatte, ihr nicht von der Seite. Eines Morgens will er nach seiner Grube gehen, da sagt die Mutter: „hast du Zeit, so trage mich in den Garten hinaus in die liebe Sonne, dass ich noch einmal die schönen Blumen sehe und den blauen Gotteshimmel, ehe meine müden Augen sich schliessen. “ Der fromme Bergmann besinnt sich nicht lange, nimmt die kranke Mutter auf den Arm und trägt sie hinaus, macht ihr ein weiches Lager zurecht und bettet sie darauf. Nun läuft er rasch zur Arbeit, kommt aber zu spät, denn geraume Zeit war über die Wartung der Mutter verflossen. Zornig setzt ihn der Steiger wegen seiner Versäumniss zur Rede, aber der junge Bergmann meinte keinen Vorwurf verdient zu haben und spricht freimüthig aus, dass er Kindespflicht habe erfüllen müssen. Bei dieser Gegenrede gerieth der Steiger noch in grössern Zorn und stiess in seiner Wuth den Bergknappen hinunter in den tiefen Schacht. Todt und zerschmettert wurde der Arme herausgebracht. Auf das Gerücht von dieser Frevelthat war die ganze Knappschaft herbeigeeilt und umstand ernst und trauernd die Leiche, denn alle hatten ihn lieb gehabt wegen seines kindlich frommen Sinnes. Da tritt plötzlich die alte Mutter in den Kreiss hinein. Die Kunde von dem Tode ihres Sohnes war bald zu ihr gelangt, Verzweiflung hatte ihre Kräfte gestählt und sie empfand keine Schmerzen mehr. Sie schaut auf des Sohnes blutige Leiche, dann auf den Schacht, in den er hinabgestürzt war, und die zusammengebeugte Gestalt richtet sich in die Höhe, erfasst eine Bürste, die ihr zufällig zur Seite lag, schleudert sie in die Tiefe hinab und ruft verwünschend:

„hu! hu!
Teufe du,
schleuss dich zu!
So viel Haare,
so viel Jahre;
so von oben, so von unten,
alle Zeit und alle Stunden,
hart gebunden,
fest gebunden,
thu dich zu,
Teufe du!“
„Thu dich zu!“

rief sie noch einmal und sank todt an ihres Sohnes Leiche nieder. Zugethan hatten sich für immer ihre Augen und Mutter und Sohn wurden todt von dieser Stätte hinweg getragen. Zugethan war aber auch das Bergwerk. Der Fluch der Mutter ging von Stund an in Erfüllung, Gewässer traten ein und hinderten jeden weitern Betrieb.

Noch sind die Oeffnungen der Gruben, eine an die andere gereiht, vorhanden. Im Wachthügel, am äussersten Ende der Gruben gegen Morgen, soll ein Hirsch ganz aus gediegenem Golde stehen, doch Niemand wagt den Bergbau wieder zu betreiben, denn noch nicht die Hälfte der Jahre mag verflossen sein, welche die Bürste in den Tiefen des Bergwerks erfordert. Die Grube, in welche der junge Bergmann gestürzt worden ist, liegt am westlichen Ende des Grubenzuges und ist fast immer bis an den Rand mit Wasser gefüllt. Jetzt wohnt die Wassernixe darin und bleicht an dem Rande ihre Wäsche zur Mittagszeit. Viele Bewohner von Wilhelmsdorf haben es ganz in der Nähe mit angesehen. Das Weisszeug der Nixe ist sehr schön und sämmtlich roth gerändelt. Auch die Wehmutter des nahen Dorfes ist in frühern Zeiten dahin geholt worden. In der Nacht bezeichnet ein Licht die unheimliche Stelle.

Eine gleiche Sage erzählt man von dem ehemaligen Goldbergwerke bei Reichmannsdorf. Dort hat eine Mutter, deren Sohn unschuldig als Dieb gehenkt worden war, ein Nösel voll Mohnkörner in den Schacht geschüttet und das Bergwerk damit versetzt und verwünscht.

Quellen: