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Das Waldweibchen klagt um sein Männchen

  Börner Volkssagen S. 222 ff.

Mein Grossvater, so erzählte ein Bauer aus Wilhelmsdorf, sitzt mit seinen Leuten an einem Winterabende um den Tisch herum, draussen aber ist stockdunkle Nacht. Da macht etwas die Thüre auf und ein Waldweibel tritt in die Stube, das ist ganz ausser sich gewesen, hat seine Hände über dem Kopfe gerungen und immer dabei gerufen: „hu, hu! der wilde Jäger hat jetzt mein Männel todt geschossen, hu, hu!“ Mein Grossvater hat das Herz auf dem rechten Flecke, er dreht sich um und spricht: „das muss ja ein bitterböser Kerl sein der wilde Jäger; was hat dein armes Männel ihm denn gethan gehabt?“ „Ei, an euch liegt die Schuld,„ gibt das Weibel zur Antwort“,und über uns geht es hinaus. So oft ein Mensch ein Bäumchen auf dem Stamme driebt, so oft muss eins von uns sterben. Um's Himmels willen thut es nur nicht wieder.„ Und dazu hat es immerfort hu, hu! geschrieen und nicht geruht, bis alle in der Stube es ihm versprochen und der Reihe nach die Hand darauf gegeben haben. Meine Grossmutter denkt, das arme, abgejagte Ding wird Hunger haben und setzt ihm eine Schüssel voll Sauerkraut vor, da hat es gegessen, aber immer dazwischen hu, hu! gejammert und ist zuletzt hinter den Ofen gekrochen. Als aber meine Grossmutter frühmorgens aufsteht und das Waldweibel rufen will, ist es schon über alle Berge fort gewesen.

Quellen: