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Perchtha's Ueberfahrt

  Börner Volkssagen aus dem Orlagau S. 113 ff.

In dem fruchtbaren Saalethal zwischen Bucha und Wilhelmsdorf hatte Perchtha, die Königin der Heimchen, ihren Wohnsitz und ihre unsichtbare Nähe verbreitete Glück, Gedeihen und Heiterkeit über die ganze Flur. Mit den Heimchen aber waren die Einwohner so befreundet, dass sie sich bei ihren Arbeiten an den Spielen und Neckereien der Kleinen, an ihrem plötzlichen Erscheinen und Verschwinden ohne Furcht und Scheu ergötzten. Wenn der Bauer seinen vollen Erntewagen von steilen Höhen herab nach Hause fuhr, sass oft ein Heimchen, bekränzt mit Aehren, jubelnd auf dem Zugvieh und sicher und wohlbehalten kam der reiche Segen der Felder in die Scheuer; breiteten die Leute auf ihren Wiesen die Heuschober aus, so geschah es nicht selten, dass ein freundliches Heimchengesicht ihnen daraus entgegenkicherte, und bei der Obsternte fiel mit der reifen Frucht wohl auch ein Heimchen vom Baum herunter und verschwand mit schalkhaftem Gelächter. Auf Perchtha's, ihrer Königin, Gebot mussten die Heimchen die Felder und Fluren der Menschen bewässern, während sie selbst unter der Erde mit ihrem Pfluge ackerte und den besten Samen ausstreute, wenn droben die Leute ihre Felder bestellten.

So lebten die Bewohner jener Gegend lange Zeit ein glückliches, frohes Leben, später aber veruneinigten sich die Leute mit Perchtha, dass sie beschloss das Land zu verlassen. Auf Perchthenabend wurde der Fährmann im Dorfe Altar noch spät in der Nacht bestellt, es war um die zwölfte Stunde, und als er zum Saaleufer kam, sah er eine grosse, hehre Frau, umgeben von weinenden Kindern. Erschrocken dachte der Mann daran, dass Perchthenzeit so eben sei und wollte zurück in seine Wohnung flüchten, aber Perchtha forderte drohend Ueberfahrt über den Fluss. Sie trat in das Fahrzeug, die Kleinen folgten und schleppten einen Ackerpflug und eine Menge andern Geräthes zu ihr hinein unter lautem Wehklagen, dass sie die schöne Gegend nun verlassen müssten. Der Schiffer begann die Fahrt und als Perchtha am andern Ufer angelangt war, gebot sie ihm nochmals zu fahren und die zurückgebliebenen Heimchen herüber zu holen. Auch dieses geschah. Unterdessen hatte Perchtha am Ackerpfluge gezimmert, deutete auf die Späne und sprach zum Fährmann: „da nimm, das sei der Lohn für deine Mühe!„ Mürrisch steckte der Mann drei von den Spänen ein, warf sie zu Hause auf das Fensterbrett und sich selbst geängstigt ins Bett. Am Morgen lagen drei Goldstücke an dem Platze, wohin er die Späne gelegt hatte.

Diese Sage von Perchtha's Ueberfahrt hat sich auch bei Kaulsdorf an der Saale und an der Elster zu Köstriz unweit Gera erhalten.

Quellen: