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Der Wechselbalg zu Gosswitz

  Thuringia. 1841. S. 92.

Man hatte in der Rockenstube zu Gosswitz Feierabend gemacht, denn die Mitternachtsstunde hatte eben geschlagen und die Burschen und Mädchen dachten an ihre Heimkehr. „Wenn wir nur nicht an dem alten Keller vorüber müssten!„ klagten verlegen und betreten einige Mädchen. Diese Furchtsamkeit rief unter den Burschen lautes Gelächter hervor, obgleich sie selber dem verrufenen Kellergeiste, der in dem alten Gemäuer wohnte, möglichst aus dem Wege gingen und noch keiner von allen ihm ins Gesicht gesehen hatte; ja sie erboten sich sogar in ihrem Uebermuthe demjenigen Mädchen auf gemeinschaftliche Kosten einen neuen Rock machen zu lassen, welche noch in dieser Nacht beweisen könnte, dass sie den Geist besucht habe.

Alle Mädchen entsetzten sich ob dieser Zumuthung. In dem einen Winkel der Stube sass fern von den Spinnerinnen die Magd des Hauses, beschäftigt mit dem misgestalteten Kinde ihrer Frau. „Es gilt,“ rief die frische muthige Dirne, indem sie zu den andern Mädchen herantrat; „es gilt! Ihr gebt mir den Rock und ich gehe zum Kellergeiste. Habt nur, bis ich wieder komme, einstweilen auf das Kind dort Acht.“ Schon gereute die Burschen der Vorwitz und Scherz, den sie getrieben, und die umstehenden Mädchen suchten alle durch Bitten und Vorstellungen die kecke, rasche Dirne von ihrem Vorhaben abzubringen, doch umsonst. Schnell war die furchtlose Magd zur Stube hinaus und an den Gärten des Dorfes vorbei geeilt und stand vor dem alten, verrufenen Gemäuer hinter dem Schulzenhause. Vorsichtig und forschend schaute sie hinab in die kellerartige Vertiefung, woraus, wie gewöhnlich zur Mitternachtsstunde, ein Licht unheimlich ihr entgegenflimmerte. „Guckst du, so werf ich“ — rief's aus der Vertiefung herauf. „Wirfst du, so hasch ich„ — entgegnete dreist das Mädchen, ohne dabei ihre Stellung zu verändern. „Guckst du, so werf ich“ rief abermals der Geist und abermals antwortete die Magd: „wirfst du, so hasch ich.“ Und als der Kellergeist zum dritten Male mit seinem Wurfe drohte, rief beherzt die Magd: „wirf zu, ich hasche schon.“ Dabei hielt sie ihre Schürze auf, der Wurf geschah und in der Schürze lag ein Kind.

Alsbald eilte die Magd nach Hause. Das junge Volk in der Rockenstube, welches mit grosser Bangigkeit auf ihre Rückkehr gewartet hatte, umringte sie neugierig und mit freudigem Staunen beschaute man das schöne, wohlgestaltete Kind. Auch der Hausvater und seine Frau waren herbeigekommen und erkannten in der wunderbar errungenen Beute ihr eigenes Kind, das ihnen gegen jenen Wechselbalg ausgetauscht worden war, den sie wegen seiner Misgestalt und seines abscheulichen Geschrei's der Magd zur Wartung übergeben hatten. Vergeblich sah man sich jetzt nach diesem um, er war verschwunden und das Glück des Hauses wieder hergestellt.

Seit jener Nacht ist das Licht in dem alten Keller nicht mehr gesehen worden auch hat man nie wieder von einem Wechselbalge gehört, der zu Goßwitz gegen ein Christenkind ausgetauscht worden wäre. Zu dem neuen Rocke, den die Magd so muthig sich verdient hatte, fügten die glücklichen Eltern noch ein neues Mieder und eine Sonntagshaube und bald führte der schönste Bursche im Dorfe das Mädchen zum Traualtar.

Quellen: