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Wie Paulinzelle erbaut wurde

  Nach einem alten Manuscript

Die Markgräfin Pauline unternahm eine Reise nach Stadt Ilm, den Grafen Sizzo zu besuchen, verirrte sich aber über Blankenburg in einem unwegsamen Gehölze. Der Gegend unkundig schickte sie einen Diener aus, den Weg zu suchen. Dieser kehrte aber nicht wieder und Pauline musste nun selbst die Rosse vorwärts treiben. Nach langem Umherirren im dunkeln Forste bleiben die Thiere am Ende eines Wiesengrundes, wo der Bärenbach und der Rottenbach zusammenfliessen, keuchend und ermattet stehen. Während die hungrigen Rosse hier auf die Weide gingen, sah sich die ermüdete Gräfin mit ihrer Zofe nach einem Ruheplätzchen um und erblickte eine verlassene Köhlerhütte. Sie traten ein und fanden darin einige Stückchen schwarzes Brod, dicht von Kohlenstaub überzogen, das sie in dem vorüberfliessenden Bächlein erst reinigen und erweichen mussten, um es geniessbar zu machen.

In der Nacht, die sie in der engen Hütte zubringt, träumt Pauline, sie bete vor einem hölzernen Altare und eine Stimme rufe ihr zu: „hier wirst du ruhen!„ Aus diesem Traume erwacht errichtet sie noch in derselben Nacht unter einer mächtigen Tanne von einigen Holzstücken einen Altar, stellt ein Crucifix darauf und betet davor, während der Mond seinen milden Glanz über sie ausgießt. Bald tritt auch ihre Zofe aus der Hütte und erzählt sie habe geträumt, dass hier unter einer Decke, gleich einem hohen Gewölbe, ihre Herrin bete.

Am frühen Morgen setzen sie ihre Reise fort und gelangen in einem Thale an dem Imflusse zu einigen Fischerhütten, wo sie von den Bewohnern etwas Brod und Fisch zu ihrer Stärkung erhalten. Die Gräfin gibt sich den Fischern zu erkennen und theilt ihnen mit, dass sie in der Nähe ein Kloster zu bauen gedenke, was auch ihnen Nutzen bringen werde. Von einigen Fischern wird sie darauf nach Stadt Ilm geleitet. Die Einwohner aber nannten von nun an ihr Dorf, das bisher Fischerau geheissen, der fremden Gräfin zu Ehren Gräfinau.

Graf Sizzo versprach den Klosterbau in alle Wege zu fördern, liess Baumeister und arbeitsame Leute kommen und zu der Kirche und dem Kloster vielerlei Risse und Pläne machen. Unter diesen Meistern ist einer, der den Plan entwirft, das Kirchengewölbe solle auf hohen Säulen ruhen, die je aus einem einzigen Steine gehauen wären, und weil die andern Meister begierig sind dieses Kunstwerk zu sehen und abzuwarten, so erklären sie als Gesellen an dem Kirchenbau arbeiten zu wollen und der oberste Meister gibt ihnen auf die Mauern der Kirche zu bauen, die auch, weil lauter Meister daran gearbeitet haben, ein rechtes Meisterstück geworden ist.

Jener Meister aber, welcher den ganzen Plan entworfen hatte, schritt gleichfalls ungesäumt zu seinem Werke und arbeitete eifrig mit seinen Gesellen an den riesigen Säulen, die er in einem nahen Steinbruche aus dem Ganzen herausarbeitet. So oft eine Säule im Steinbruche gehoben wurde, betete Pauline auf Bitten des Baumeisters ein brünstiges Gebet für das Gelingen der Arbeit. So waren alle Säulen bis auf zwei glücklich vollendet und aufgerichtet. Als aber die beiden letzten gehoben werden sollten, hielt die fromme Pauline durch ein Gespenst erschreckt plötzlich im Gebet an und augenblicklich wurde durch eine unsichtbare Gewalt der Steinbruch so erschüttert, dass beide Säulen an einander stiessen und von jeder am obern Theile ein Stück absprang, als ob es mit einem Messer abgeschnitten wäre. Aber der kunstfertige Meister fügte die Steine wieder so geschickt und fest zusammen, dass Jedermann das Gebäude nicht ohne freudiges Staunen über des Meisters hohen Geist betrachtete.

Als nun die Kirche bis auf den Altar fertig war, befahl Pauline einen solchen, jedoch nicht von Erde, Stein oder Holz zu fertigen. Dieses brachte der Köhler, in dessen Hütte Pauline jenen merkwürdigen Traum gehabt hatte, dadurch zu Stande, dass er einen starken Eichenstamm verkohlte und ihm einen solchen Glanz gab, dass Niemand errathen konnte, woraus er gearbeitet war. Auch der Ueberzug des Altars, welcher gleichfalls weder von Holz, noch von Stein, noch von Erde sein sollte, stellte der erfindsame Köhler aus einem zierlich gegerbten Kalbfell her. Auf diesen Altar stellte Pauline das Crucifix, vor welchem sie einst bei der Köhlerhütte gebetet hatte; den Köhler aber ernannte sie zum Aufseher über Küche und Keller.

Während der Vorbereitung zur feierlichen Einweihung des Klosters und der Kirche wollte Pauline nach dem Kloster Hirschau in Schwaben reisen, den zum Abte erwählten Pater Gerung und eine Anzahl Mönche abzuholen. Sie hatte aber auf dieser Reise das Unglück vom Pferde zu fallen, einen Arm zu brechen und an diesem Armbruch zu sterben. Ihr Leichnam wurde in das von ihr gestiftete Kloster gebracht und in der Kirche vor dem Altare des heiligen Kreuzes beigesetzt.

Quellen: