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Meister und Geselle

  J. Chr. v. Hellbach Nachr. von der Lieben Frauen-Kirche zu Arnstadt. S. 117.

Als in Arnstadt die Liebfrauenkirche erbaut werden sollte, übertrug der Meister den Bau des vordern Thurmes seinem Gesellen. Dieser will dem Meister Ehre machen und ein rechtes Kunstwerk aufstellen, widmet deshalb seiner Arbeit ganz besondere Liebe und allen erdenklichen Fleiss. Und wunderbar ging ihm das Werk von Statten. Es war gar nicht zu verkennen, dass der Thurm des Gesellen weit schöner und zierlicher emporstieg als der des Meisters, und Jedermann, der vorüberging und den Bau betrachtete, lobte und rühmte des Gesellen Kunst und Geschicklichkeit. Das verdross aber den Meister, der deshalb einen tiefen Groll gegen den Gesellen fasste und sich an ihm zu rächen gedachte. Als nun der Thurmbau fertig war, ruft ihn der Meister zu sich hinauf auf den Thurm unter dem Vorgeben, dass er ihm etwas zeigen wolle, was an der Arbeit noch fehlerhaft sei. Der Geselle steigt ohne Arg die Treppe empor und mit ihm läuft lustig auch sein Hündlein hinauf. Oben heisst ihn der Meister zum Schallloche hinausschauen und den Fehler selber aufsuchen; wie er aber sich weit hinausbiegt und dennoch nichts Fehlerhaftes entdecken kann, gibt ihm der tückische Meister einen Stoss, dass er hinunterstürzte und todt zur Erde fiel. Als das treue Hündlein den lieben Herrn hinunterfallen sah, sprang es ihm sogleich nach und fiel todt nieder neben seinem todten Herrn.

Zum Gedächtniss an diese abscheuliche That hat man oben am Thurme in Stein eine hervorragende Manns- und Hundegestalt angebracht.

Quellen: