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Wo der Hund begraben liegt

  Mündlich.
  Bechstein Sagenschatz II, 153. Sagenbuch I, 235.

In Winterstein liegt der Hund begraben. Das wissen und sagen dort alle Leute und erzählen von diesem Volkswort folgende Geschichte. Vor Zeiten war Einer aus dem Geschlecht der Herren von Wangenheim, die in Winterstein ihre Schlösser und Besitzungen haben, Jägermeister eines Herzogs von Gotha und hatte einen sehr guten, klugen und treuen Hund, Stutzel genannt. Nach dem Tode dieses Herrn von Wangenheim hatte seine Wittwe den Hund noch lange Zeit und war ihm über alle Massen gut. Stutzel war aber auch ungemein klug und geschickt. So ging er mit Briefen, die man an sein Halsband befestigte, ganz allein nach Gotha auf den Friedenstein zur Herrschaft und kam mit Briefen denselben Weg wieder zurück.

Als aber nach Jahren der gute Hund starb, war die Frau Jägermeisterin Wittwe über dessen Tod gar sehr betrübt, weinte und legte Trauerkleider an, verlangte auch, dass ihre Dienerschaft über den schweren Verlust, den das Haus erfahren, weinen und klagen sollte. Diese that's auch, stellte sich wenigstens der Herrin gegenüber so an, als weine sie rechtschaffen, und bekam dafür schöne Trauerkleider geschenkt. Nur einer alten Köchin wollten die Thränen nicht fliessen und dafür ward sie tüchtig gescholten. Da brachte sie mit Hilfe geschnittener Zwiebeln zulegt auch Thränen in ihre Augen, trat weinend vor die Frau Jägermeisterin und erhielt zuletzt auch ihr schönes Trauerkleid.

Die gnädige Frau Jägermeisterin hatte dem guten, treuen Hunde einen Sarg machen lassen und wollte ihn durchaus auf dem Gottesacker begraben haben, wie einen Christenmenschen. Das konnte und wollte aber der Herr Pfarrer nimmer zugeben, und nur dann erst gab er seine Einwilligung und liess die Beerdigung geschehen, als die fromme Wittwe der Kirche 100 Thaler stiftete und dazu dem Pfarrer 50 Thaler. So erhielt der Hund nun eine schöne Leiche und ein Plätzchen auf dem Wintersteiner Gottesacker.

Aber die Sache wurde ruchbar im Lande und die Wintersteiner hatten von ihren Nachbarn allerlei Neckerei zu hören, dass auf ihrem Kirchhofe der Hund begraben liege. Auch das Herzogliche Consistorium in Gotha bekam davon Kenntniss und gab dem Pfarrer, der solches hatte geschehen lassen, einen scharfen Verweis. Andere sagen sogar, der gute Mann sei seines Amtes entsetzt worden; auch erging sogleich der Befehl, dass Stutzel wieder ausgegraben werden musste. Er erhielt nun sein Ruheplässchen in der alten Schlossruine, auch einen schönen Grabstein, darauf er abgebildet zu sehen war, wie er leibte und lebte, auch darunter die Inschrift:

1650 war der Hund begraben
Dass ihn nicht sollen fressen die Raben
Stutzel war sein Name genannt
Bei Fürsten und Herren wol bekannt
Wegen seiner Treu und Munterkeit
So er seinen Herren und Fraven geweiht
Schickt man ihn hin nach Friedenstein
So lief er hurtig ganz allein
Gut hat er sein Sach ausgericht
Drum hat er diesen Stein gekrigt.

Von diesem Vorfall schreibt sich das Sprüchwort her: „In Winterstein, da liegt der Hund begraben.“

Quellen: