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Die weisse Jungfer im Burgberge bei Broterode

  Bechstein Sagenschatz des Thüringerlandes II, 93 f.
  Mündlich.

Bei Broterode erhebt sich an der Strasse nach Herges der Burgberg, auf dem alte Leute noch die Ueberreste einer Burg gesehen haben. Dort zeigte sich nach der gemeinen Sage alle sieben Jahre eine weisse Jungfer. Sie kam aus einem Felsen hervor, worin ein grosser Schatz verzaubert war, den die Jungfrau bis zu ihrer Erlösung hüten musste, und ging den Berg herab nahe bis an die nächsten Gärten des Orts. Sie trug ein ganz weisses Kleid mit einem rothen Bande und wurde von einem Hündchen begleitet, das eine Schelle am Halsbande hatte. Leute, denen sie auf ihrem Gange begegnet ist, wollen gehört haben, dass sie leise vor sich hin die Worte sprach :

„ein Knäblein von sieben Jahren
mit weissen Haaren
kann mich erretten.“

Aber schon seit langer Zeit hat sich die Jungfer nicht sehen lassen; die Leute meinen sie habe ihre Erlösung gefunden.

Man erzählt die Sage von der weissen Jungfer in Broterode auch so. In dem alten Schlosse auf dem Burgberge wohnte eine Gräfin, die gar stolz und heftigen Gemüths war. Sie hatte eine Zofe, welche ihr jeden Morgen das Haar zu strählen hatte. Dieser Strählerin ging jeder Wunsch, den sie lebhaft und nachdrucksvoll aussprach, sogleich in Erfüllung. Nun geschah es eines Morgens, dass sie ihre Herrin beim Strählen der Haare ein wenig rupfte und zupfte, wofür diese sehr in Unmuth und Zorn gerieth und der Dienerin allerlei böse und harte Worte sagte, welche diese wiederum so erbitterten, dass sie mit dem Fusse auf den Boden trat und dabei heftig den Wunsch aussprach: „ich wollte, dass das ganze Schloss sammt euch und mir tief in den Erdboden versänke!„ Sofort sank die Burg in die Tiefe der Erde mit allem, was darin war, und Herrin und Dienerin befinden sich seitdem in dem Berge. Noch einen Wunsch zu thun war der Zofe vergönnt und so wünschte sie, dass sie von Zeit zu Zeit einmal hinauf an das Licht gehen dürfe, um zu sehen, wie es droben in der Welt aussieht.

Auch dieses Wunsches Erfüllung ist ihr zu Theil geworden. Und so darf sie alle sieben Jahre sich sehen lassen und selber auch sehen, wie es auf der Oberwelt zugeht.

Quellen: