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Friedrich mit der gebissenen Wange

  Bange thir. Chron. Bl. 103 b - 104.
  Joh. Rothe dür. Chron. S. 434 ff.

Der Landgraf Albrecht von Thüringen, welcher der Unartige genannt wird, vergaß zur Zeit, als er auf der Wartburg wohnte, aller ehelichen Liebe und Treue gegen sein Gemahl Margarethe, weil er heimliche Liebe pflog mit einer Jungfrau, genannt Kunne von Eisenberg. Nun hätte er die Landgräfin gerne mit Gift vergeben, konnte aber nicht dazu kommen, dass es füglich geschehen möchte; deshalb versprach er einem Eseltreiber, der täglich Brod, Fleisch und Holz zur Wartburg in die Küche trieb, eine grosse Summe Gold, dass er des Nachts über sie kommen und ihr den Hals brechen sollte, als ob es der Teufel gethan hätte, und nannte dem Eseltreiber eine Zeit, wenn er solches thun sollte.

Als nun die Zeit kam, wurde dem Eseltreiber bange und er gedachte bei sich selbst, obwohl ich arm bin, habe ich doch fromme, ehrliche Aeltern gehabt; soll ich nun ein Schalk werden und die Fürstin tödten, so möchte mich mein Herr als einen Uebelthäter strafen lassen, thue ich's aber nicht, bringt er es doch zuwege, dass ich getödtet werde, damit ich seinen Anschlag und sein Vorhaben den Leuten nicht verrathe. Laufe ich hinweg, so sendet er mir nach und zeichnet mich der Dieberei und Verrätherei und ich muss doch sterben und leiblos und ehrlos werden. So wusste der arme Mann nicht, was er thun sollte und stund deshalb in grossen Sorgen und Aengsten.

Endlich konnte er die That nicht länger verziehen und kam auf Anleitung der Kunne von Eisenberg des Nachts in der Fürstin Kammer und fiel auf ihr Bette und sprach: gnädige Frau, gnadet mir das Leben.„ Sie sprach: „wer bist du“ Er nannte seinen Namen und sie frug weiter: „was hast du gethan? Du bist vielleicht trunken und nicht bei Sinnen.“ Er antwortete: „ich habe nichts gethan, ich bitte aber, ihr wollet schweigen, denn mein Herr hat mich geheissen, ich sollte euch tödten, das will ich aber nicht thun. Nun rathet mir und euch, dass wir beide unser Leben erhalten. „. Da sprach sie: „geh' alsbald und rufe meinen Hofmeister, dass er zu mir komme.“ Dieser gab ihr nun den Rath, dass sie von Stund an sich aufmache und von ihren Kindern scheiden sollte, damit sie beide bei Leben blieben.

Darauf ging die Landgräfin zu dem Bette ihrer Söhne und beweinte schmerzlich ihr grosses Unglück, aber ihr Hofmeister und die Frauen, welche bei ihr waren, ermahnten sie, dass sie von dannen eilen möchte. Da sie nun sahe, dass es nicht anders sein konnte, will sie ihre Söhne segnen und ergreift den ältesten, Friedrich, weinte in ihrer grossen Betrübniss, küsste ihn oftmals und biss ihn zuletzt in den einen Backen, dass er davon eine Narbe bekam, welche er die Zeit seines Lebens behalten hat. Deshalb wurde er auch nachher genannt Friedrich mit dem gebissenen Backen.

Da wollte sie auch den andern Sohn beissen, das wehrte ihr aber der Hofmeister und sprach: „wollt ihr die Kinder erwürgen?“ „Ich habe ihn gebissen,“ sprach sie, „dass er, wenn er gross wird, an diesen grossen Jammer und an dieses Scheiden gedenke.“

Sie nahm nun ihre Kleinode und ihr Geld, ging auf das Ritterhaus und der Hofmeister liess sie mit einer Frau, einer Magd und dem Eseltreiber an Seilen aus einem Fenster den hohen Felsen hinab. Dieselbe Nacht gingen sie mit grossem Jammer und Leid noch bis auf den Kraienberg, den damals der Abt von Hersfeld inne hatte. Der Amtmann auf dem Kraienberge liess sie dann weiter geleiten und nach Fulda führen und von da gelangte die Landgräfin unter dem Schutze des Abts nach Frankfurt, wo sie von den Bürgern gar herrlich empfangen wurde, denn sie war des Kaisers Tochter und suchte bei ihnen jetzt eine Zuflucht. Aber schon im folgenden Jahre starb sie vor grossem Jammer und Herzeleid in einem Jungfrauenkloster, wohin sie sich begeben hatte, und ward in Frankfurt begraben.

Quellen: