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Der Streit um das Erbe von Thüringen

  Annales Reinh. p. 228 sq.
  Thür. Chronik in Senkenberg's Select. jur. et histor. III, 325-328.
  Gerstenberger thür. heff. Chron. in Schminke's Mon. Hass. II, 416 ff.
  Bange thür. Chron. Bl. 99 b -- 101.

Der Landgraf und römische König Heinrich Raspe, genannt der Pfaffenkönig, hatte auf der Wartburg das Zeitliche gesegnet und mit ihm war auch der männliche Stamm der Landgrafen von Thüringen und Hessen erstorben. Es erhob sich nun ein langer Zwiespalt über das Erbe von Thüringen und Hessen zwischen der Herzogin Sophie von Brabant, einer Tochter der heiligen Elisabeth, und dem Markgrafen von Meissen, Heinrich dem Erlauchten. Der Markgraf sprach das Land an, weil es aus König Heinrichs Munde, dessen Schwestersohn er war, ihm erstorben wäre, und er überfiel das Land mit Heereskraft, nahm Städte und Schlösser und auch die Wartburg ein. Die Herzogin aber liess sich bedünken, ihr Sohn hätte mehr Fug und Recht zu dem Lande von Thüringen und Hessen, als der Markgraf von Meissen, und da sie hörte, dass viel gute Leute in Hessen und Thüringen ihrem Sohn wegen seiner Grosseltern mehr geneigt waren, kam sie mit demselben nach Hessen und nahm auch einige Städte und Schlösser ein.

Bei diesem Handel und Zwiespalt, der nicht so bald gütlich verglichen und beigelegt werden konnte, wurde zuletzt auch die Landschaft zwieträchtig und uneins, und die Herzogin fürchtete, dass die Städte und Mächtigen des Landes in einem Kriege zu fremden Herren halten möchten und befahl deshalb das Land Thüringen dem Markgrafen zu getreuer Hand, bis von dem künftigen römischen Könige und den andern Fürsten des Reichs erkannt würde, wem das Land gehöre und von Recht gebühre. Weil aber schon drei Jahre vergangen und noch kein römischer König geworden war, der den Streit über das Erbe in Thüringen und Hessen richten und schlichten konnte, kam die Herzogin von Brabant abermals nach Hessen mit ihrem Sohne Heinrich, und machte ihn zu einem Landgrafen in Hessen, den man nun das Kind von Hessen nannte. Sie liess sich aber daran nicht genügen, sondern kam auch gen Eisenach und hielt da in der Kirche der Predigermönche mit dem Markgrafen eine Sprache, dass er ihr und ihrem Sohne das Land Thüringen wieder herausgäbe. Da reichte der Markgraf Frau Sophien die Hand und sprach: „gern, allerliebste Base, meine getreue Hand soll dir und deinem Sohne unbeschlossen sein.„ Doch wie er so redete, traten zu ihm seine Räthe, der Marschall Helwig und Hermann von Schlotheim, nahmen ihn bei der Hand, zogen ihn zurück und sprachen: „Herr, was thut ihr, dass ihr das reiche Land und das feste Schloss Wartburg aus den Händen gebt. Wäre es möglich, dass ihr einen Fuss im Himmel hättet und den andern auf der Wartburg, so solltet ihr viel lieber den einen Fuss aus dem Himmel ziehen und zu dem andern auf der Wartburg sezen. Denn gut will es sich fügen, dass ihr dieses Land in Besitz nehmt, die beiden andern aber, das Osterland und Meissen, euren beiden Söhnen Dietrich und Albert übergebt.“

Dieser Rath behagte dem Markgrafen und er kehrte sich wieder zur Herzogin und sprach: „ich muss mich in diesen Dingen bedenken und den Rath der Grafen und Edeln dieses Landes hören,„ und schied von ihr ohne ihrem Rechte zu willfahren. Da wurde die Herzogin tief betrübt, weinte bitterlich und zog die Handschuhe von ihren Händen, zerriss sie und sprach: „Gott möge sehen und richten!“ Dann warf sie die Handschuhe in die Luft und rief: „o du Feind aller Gerechtigkeit und Erfinder aller Uebelthaten, ich meine dich Teufel, nimm diese Handschuhe mit deinen falschen Rathgebern.“ Und alsbald wurden sie hinweggeführt und nimmermehr gesehen. Die Räthe aber sollen nachher keiner eines guten Todes gestorben sein.

Andere Chroniken erzählen die Sache anders und zwar so. Die Herzogin von Brabant und der Markgraf hatten sich dahin geeiniget, dass sie ihr Recht stellen wollten an die Edelsten der Ritterschaft in Thüringen. Könnte der Markgraf zwanzig edle und fromme Ritter in Thüringen finden, die mit ihm einen Eid zu Gott und den Heiligen schwören könnten und möchten, dass er mit mehr Fug und Recht Erbe des Thüringer Landes wäre und nicht der junge Herzog von Brabant, so sollte sich ihr Sohn allein zu der Herrschaft in Hessen halten und sich schreiben und bleiben ein Landgraf zu Hessen. Und das sollte der Unterschied sein zwischen den beiden Landgrafen zu Thüringen und Hessen, dass der bunte Löwe in dem Schilde des Landgrafen zu Hessen eine goldene Krone trage, weil seine Eltermutter, die heilige Elisabeth, eines Königs Tochter gewesen wäre.

Dazu wurde ein Tag bestimmt und nach Eisenach gelegt. Bis dahin sollte der Markgraf die zwanzig Ritter finden, die mit ihm schwören wollten. Frau Sophie hatte aber die feste Zuversicht, dass er zwanzig solche Herrn nicht finden möchte, die mit ihm einen so falschen und unrechten Eid thun würden. Und sie schieden von einander und die Herzogin ging wieder nach Marburg in Hessen.

Als nun der bestimmte Tag kam, zog sie abermals mit ihrem Sohne nach Eisenach und brachte eine Rippe von ihrer Mutter St. Elisabeth mit; darauf sollte der Markgraf sein näheres Recht auf Thüringen beschwören. Man kam in der Katharinenkirche zusammen und ein bestellter Priester trug die Rippe auf den Altar. Da fragte der Markgraf, von welchem Heiligen das Heiligthum wäre, darauf er schwören sollte. Der Priester antwortete: „es ist eine Rippe der heiligen Elisabeth.„ Der Markgraf lachte und sprach zu seinen Rittern: „die Herzogin, meine Base, glaubt nicht, weil sie eine Rippe von ihrer Mutter mitgebracht hat, dass ich sie aus Thüringen vertreiben werde,“ und ging alsbald hin und legte seine Finger auf die Rippe, die in ein weisses, reines Tuch gebunden war, und schwur zu Gott und den Heiligen, dass er billiger das Land zu Thüringen ererbte, als der junge Herzog aus Brabant. Alsdann traten auch die andern zwanzig Herrn und Ritter hinzu und schwuren denselben Eid.

Da das Frau Sophie sah, schlug sie ihre Hände zusammen und zerriss vor grossem Jammer ihre zwei Handschuhe, die sie an ihren Händen trug, in vier Stücke und klagte alle ihre Lebetage Gott und der Welt das grosse Unrecht, die Untreue und Falschheit des Markgrafen von Meissen. Auch widersprach sie den falschen Eiden und wollte daran nicht Genüge haben, sondern behielt die Stadt Eisenach inne. Darum that der Markgraf viel Schaden in Hessen und wiederum geschah viel Schaden aus Hessen nach Thüringen und es stund übel in dem Lande dieser Fehde halber.

In derselben Zeit geschah es auch, dass die Herzogin einmal nach Eisenach kam und mit den Ihrigen in die Stadt wollte. Aber die Thore waren verschlossen und man wollte sie zuerst nicht einlassen, denn die Stadt und die Bürger, obwohl ihr zugethan, waren in der Hand und Gewalt ihrer Widersacher. Da nahm die muthige, streitbare Frau eine Axt in die Hand und hieb damit in St. Jürgenthor, dass man die Wahrzeichen davon zweihundert Jahre in dem Eichenholze gesehen hat.

Die Chroniken erzählen auch, dass in jener Zeit ein wohlhabender Bürger in Eisenach gewesen sei, genannt von Welsbach, der habe gesagt, das Land zu Thüringen wäre billiger des Kindes von Hessen als des Markgrafen von Meissen, denn dieser Mann wusste die Rechte. Und der Markgraf liess ihn in eine Blide oder Schleuder legen, die vor der Wartburg stand, und in drei Stunden dreimal von der Wartburg werfen. Zwei Stunden blieb er lebend und sagte gleichwohl das Land gehöre dem Kinde in Hessen. In der dritten Stunde starb er.

Quellen: