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Der Prior des Dominikanerklosters in Eisenach

  Legendarium des Dominikanerklosters in Eisenach,
  Ztschr. für thür. Gesch. u. Alterthumsk. IV, 377 f.

Der erste Prior des Dominikanerklosters in Eisenach war der Graf Eilger von Hohenstein, ein überaus frommer und gottesfürchtiger Mann und so heiligen Lebens, dass sein Amt in dem Kloster Christus selber mehrmals für ihn versehen und verwaltet hat, als er demselben vorzustehen behindert war.

Es geschah nämlich zu einer Zeit, dass der fromme Klosterprior zu einem vornehmen Edelmanne, der auf seinem Schlosse krank danieder lag, gerufen wurde. Als er dorthin gekommen war und des Kranken Beichte und sein Bekenntniss gehört hatte, wollte er sogleich in sein Kloster wieder heimkehren, aber der kranke Ritter bat mit allen seinen Freunden inständigst, dass er zu seinem Troste und zur Erleichterung in seiner Krankheit noch einige Tage bei ihm bleiben möchte. Obwohl er sich Anfangs weigerte und sein Amt im Kloster, auch die Sorge für die Brüder vorschützte, liess er sich doch zuletzt von seiner Nächstenliebe und durch die inständigen Bitten des Kranken bewegen und blieb daselbst, ging aber sogleich in die Schlosskapelle und empfahl im andächtigen Gebete die Klosterbrüder in unseres Herrn und Heilandes Schuss und Gnade. In derselben Zeit aber meinten daheim die Brüder, dass ihr Prior in das Kloster zurückkehre und alle empfingen mit grosser Freude den Herrn Jesus Christus in der Gestalt des frommen Bruders Eilger.

Nachdem nun der genannte Prior fünfzehn Tage bei dem Kranken zu seinem Troste verweilt hatte, nahm er endlich Urlaub und kehrte in sein Kloster zurück, aber Niemand kam ihm diesmal zu seiner Verwunderung grüssend entgegen und empfing ihn mit üblicher Ehre. Das schmerzte den heiligen Vater in seinem Herzen, weil er fürchtete, dass sein langes Aussenbleiben die Brüder gekränkt habe. Deshalb rief er am folgenden Tage jenen Klosterbruder, welcher ihn, wie er meinte, begleitet hatte, zu sich und sprach: wie ist das, dass uns die Brüder bei unserer Heimkehr nicht gebührend empfangen haben, da wir doch fünfzehn Tage fern gewesen sind ?“ Dieser erwiederte: “theurer Vater, sind wir nicht sogleich am folgenden Tage nach unserm Weggange aus dem Kloster wieder heimgekehrt? Auch haben uns damals die Brüder mit Freude und Liebe empfangen und nachher sind wir ja immer hier gewesen.“ Da schwieg der heilige Vater und überdachte bei sich das göttliche Wunder.

Weiter erzählte man, dass derselbe fromme Mann eines Tages in seine Celle gegangen und sich daselbst vor einem Christusbilde, das darin hing, im Gebet niedergeworfen und in dieser innigen Andacht und göttlichen Anschauung einen ganzen Monat verharrt sei, ohne dass seine Abwesenheit die Klosterbrüder bemerkten, da er ihnen im Chore, im Speisesaal, Schlafgemach und in der Kapitelstube gegenwärtig zu sein schien, weil unser Herr Christus in seiner Gestalt und Kleidung überall seine Stelle vertrat. Als er nach dieser Zeit aus seiner Verzückung wieder erwachte und aufstand und mit den Brüdern zur Frühmesse ging und statt der Matutine des nächsten Tages die des folgenden Monats hörte, welche einstimmig alle Brüder sungen, verwunderte er sich nicht wenig und spürte mit grosser Dankbarkeit das grosse Wunder und Gottes sonderliche Gnade.

Diese Wunder hat der fromme Prior kurz vor seinem Tode selber erzählt und offenbart.

Quellen: