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Der Landgraf Hermann im Fegefeuer

  Annall. Reinhardsbrunn. p. 164 sqq.

Nach dem Tode des Landgrafen Hermann hätte sein Sohn, der fromme Landgraf Ludwig, gern erfahren, ob die Seele seines Vaters, dem er bei seinem Leben vor allen andern Kindern besonders lieb gewesen war, den Tag des ewigen Gerichts getrost und mit Zuversicht erwarte oder denselben zu fürchten habe. Zuerst hatte er darüber mit einigen seiner vertrauten Freunde eine geheime Unterredung, konnte aber durch ihren Rath nicht getröstet werden. Weil ihn aber diese Sache fort und fort ängstigte und quälte, versammelte er nach einiger Zeit nochmals alle seine Getreuen und begehrte ihre Meinung zu hören. Da wurde ihm von einem seiner Ritter der Rath gegeben, dass er einen Schüler, welcher in der schwarzen Kunst wohl erfahren sei, sollte holen lassen und von ihm dieses erfragen. Als man nun einen solchen gefunden und ihm die Sache vorgelegt hatte, sprach dieser, er wolle nicht, dass der Landgraf selber, weil er zu furchtsam sei, seiner Beschwörung beiwohne, sondern ein ihm getreuer Diener, der die Wahrheit mit seinen Augen sehen und bezeugen könne. Obwohl der Landgraf den Ausgang der Sache lieber in eigener Person erfahren hätte, so billigte er doch zulegt die Meinung des Zauberschülers und gab ihm einen seiner getreuen Diener bei. Der Zauberer ermahnte nun diesen Diener zum öftern sich nicht zu fürchten, schloss ihn in einen Kreis ein und hielt ihn bei steter Gefahr seines Leibes und seiner Seele an, den Kreis nicht zu überschreiten noch aus demselben herauszutreten. Darauf fing er seine Beschwörung an und zugleich fragte er den, welcher im Kreise sass, ob er etwas bemerke. Zunächst sah dieser nichts, dann aber nahm er ein gewaltiges Unwetter mit Sturm und Regen wahr, bei dessen schrecklichem Toben er alsbald meinte sterben zu müssen. Durch göttlichen Trost wurde er wieder gestärkt und beruhigt, dann überkam ihn aber von neuem grosse Angst und Furcht, und nachdem er durch tausendfachen Zauber mit vielen Schrecknissen gequält war, sah er seinen Herrn und Fürsten, den Landgrafen Hermann, auf einem stattlichen Ross mit vielen Begleitern an sich heranreiten. Der Landgraf redete den Diener freundlich an und fragte mit Fleiss, was er hier zu thun habe. Dieser gab zur Antwort, dass er auf Befehl seines Herrn des Landgrafen Ludwig hierher gekommen, Nachforschung zu halten, ob er in der Zahl der Verdammten oder der Gerechten sei; darauf hub der Landgraf den Mantel, womit er, wie es schien, bedeckt war, in die Höhe und liess den Diener die unablässige Qual der höllischen Gluth schauen, wovon er an seinem Leibe brannte, und offenbarte ihm, dass er diese Pein auf Erden durch sein ungerechtes Thun verdient habe, besonders dadurch, dass er den Aufbau und die Vollendung der Klosterthürme zu Reinhardsbrunn aufgehalten habe, da er die Steine und Vorräthe für den genannten Bau zur Errichtung des Thores in der Stadt Gotha, welches nach Sundhausen zu gelegen ist, habe bringen lassen. Auch zeichnete er noch mit einem kleinen Funken von dem Feuer seines Leibes den Fuss des Dieners, damit dieses Merkmal ein sichtbares Zeugniss wäre, dass der Diener den Landgrafen wirklich gesehen habe. Um aber seinen Sohn, der noch die Zeit der Gnade nützen könne, vor dem schrecklichen Abgrund des Todes und der Hölle zu bewahren, dadurch nämlich, dass er die Aufträge und Gebote seines Vaters erfülle und die Klöster und Gottesdiener und vor allen die frommen Mönche in Reinhardsbrunn durch Begabung, Förderung, Schutz und jeglichen andern Vortheil erhöhe und erhebe, so bat er den Diener solches durch seine öftern Mahnungen und Erzählungen zu bewirken.

Quellen: