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Die Tornowspitze

Der untere Theil der langen Tornow–Halbinsel erhebt sich nach Templin zu etwas über den weiten, blauen Havelsee, bis in dessen Mitte sie sich erstreckt, und gestattet eine gar schöne und eigenthümliche Umsicht über den schilfbekränzten Wasserspiegel bis hin zu der fernen Stadt und den waldbedeckten Höhen, welche, bald mehr bald weniger steil, ihn umgeben. Diese Landspitze in Mitten der großen Wasserfläche und nur durch die ährenbedeckte, schmale Landzunge mit dem Ufer verbunden, bildet ein gar heimliches und trauliches Plätzchen; es ist dort so still und einsam, und von keiner Seite dringt das Geräusch der Menschen bis dahin. Das Flüstern des Schilfes, das Plätschern der Wellen und das Locken des Wasserhuhns sind die einzigen Töne, welche seine friedliche Stille unterbrechen. Vor allen schön und eigenthümlich ist diese Stelle aber im magischen Lichte des Mondes.

Gegen das Ende der Landzunge hört das Ährenfeld auf, und ein dichter, grüner Rasen, untermischt mit wildem Timian, Veronica und Maaßlieb, bedeckt den Boden, der nach dem Wasser zu abfällt und mit einem blauen Kranze von Vergißmeinnicht umgeben ist. Auf diesem Rasenplatz findet man zuweilen Kreise oder Ringe, wo das Gras höher empor gewachsen ist, die Blumen üppiger sprossen und welche weder vom Reif noch Thau bedeckt werden. Der Schnitter nennt sie Elfenringe und meint, es wären die Spuren, welche das freundliche Volk der Elfen zurück ließe, die hier in stillen Vollmondsnächten ihre Feste und Tänze feierten.

Vor gar nicht langer Zeit soll einmal einer von ihnen, ein junger, heiterer Bursche, mit leichtem Sinn und fröhlichem Muth, sich in den niedern Erlenbüschen versteckt haben, um den Tanz der Elfen zu belauschen. Er hat jedoch nie davon gesprochen, was er dort gesehen, aber eine große Veränderung ist seit jener Mondnacht mit ihm vorgegangen. Er, der sonst gern im Kreise der lustigen Freunde sich befand, und Scherz und muntere Streiche liebte, ist stil und sinnig geworden, hat die Gesellschaft seiner Genossen vermieden, und sich einsam und für sich gehalten. Nicht. daß er traurig oder betrübt gewesen, im Gegentheil, er hat fast immer so vor sich hin gelächelt, und feine Augen glänzten wie in Freude und Glück; dabei aber ist er immer schwacher and blässer geworden, und zwölf Monden darauf haben die anderen Schnitter seinen blumengeschmückten Sarg zu Grabe geleitet.

Quelle: Karl v. Reinhard, Sagen und Mährchen aus Potsdams Vorzeit, Potsdam 1841, Verlag der Stuhrschen Buchhandlung