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Der Spuk am Entenfängersee

Zwischen den Havelseen bei der Inselstadt Werder und einer bewaldeten Hügelreihe zieht sich längs den Ufern des Flusses ein breites Wiesenland hin, durchschnitten von einzelnen gewundenen Wasserzügen und wellenförmigen Höhen, welche sich hier und da zu runden, mit brauner Heide bewachsenen Kuppen erheben, oder sich gleich Landzungen in die grüne Niederung erstrecken. Unterhalb der höchsten Waldhügel, unweit des vielbesuchten, freundlichen Gehöfts des „Entenfängers,“ liegt ein Erlengehölz, feucht und schattig. Der Boden desselben ist mit saftigen Stauden, Schell- und Bilsenkraut, Nachtschatten und gefleckten Schierling bedeckt, welche in der grünen Dämmerung üppich wuchern, die unter den dichtbelaubten Zweigen herrscht, bis zu welchen hinauf sich die Schlingpflanzen ranken. Dies stille und einsame Dickicht verbirgt in seiner Mitte einen länglichrunden See von bedeutender Ausdehnung, dessen klarer Spiegel, eingeschlossen von dem schirmenden Gürtel, nur selten vom Winde getrübt wird, der kaum leise das hohe Schilf an seinen Ufern bewegt.

Der einsame See wird seit langer Zeit zum Fang der wilden Enten benutzt. Die Lockenten rufen diese herbei und führen sie dann durch Binsen und Rohr in die Netze der Todtenkammer, welche der lauernde Jäger gewandt und leise hinter ihnen schließt.

Oft sieht man an heiteren Abenden über diesem verborgenen Orte ein kleines Wölkchen schweben, welches langsam bis auf die Wasserfläche herabssinkt und sich wie ein weißer Nebel in flockigen Streifen über die benachbarten Wiesen verbreitet. „Der Fuchs badet sich,“ sagt dann der Landmann, und verkündet gutes Wetter für den folgenden Tag. Aber die Alten, welche lange Zeit in dieser Gegend gelebt haben, schütteln geheimnißvoll dabei den Kopf und versichern, es habe damit noch eine andere Bewandtniß, wovon sich aber nicht gut sprechen lasse. Sie wissen, daß, wenn in der Dämmerung die Nebelwolke über dem See schwebt, dort ein Spuk die Gegend nicht geheuer macht. Ein Pfarrer, der seiner Tochter, weil ihr Mann eine bessere Stelle als er erhalten, das Brod verflucht haben soll, ist an den See verwünscht worden. Dort sitzt er im Nebel am Ufer und droht mit der Faust; ruft man aber den wohlbekanten Namen seiner Tochter, so stürzt er plötzlich ins Wasser.

Quelle: Karl v. Reinhard, Sagen und Mährchen aus Potsdams Vorzeit, Potsdam 1841, Verlag der Stuhrschen Buchhandlung