<<< zurück | Sagen und Mährchen aus Potsdams Vorzeit | weiter >>>

Die Räuberschanze

In dem Winkel zwischen dem Krampnitz– und Jungfernsee sondert sich von den mit dichtem Kiefernwalde bedeckten Höhen, welche sich von hier nach Norden und Osten ausdehnen, ein länglich runder, kegelförmiger Berg ab, der von allen Seiten her gleichmäßig ansteigt. Zur Hälfte erstreckt sein Fuß sich steil in den Krampnitzsee, der übrige Theil ist von einer schmalen Bruchwiese umgeben, welche nach beiden Seiten in den See ausläuft, und augenscheinlich früher ein mit Wasser gefüllter Graben war, der jetzt verwachsen ist. Die Kuppe dieses Berges ist geebnet, und die Erde am Rande umher zu einem Walle aufgeworfen, der einen an den Winkeln abgerundeten, sechseckigen, etwa zweihundert Schritte im Durchmesser haltenden Raum umschließt, zu welchem an zwei entgegengesetzten Seiten Einschnitte führen, vor denen ebenfalls ein verfallener Graben liegt. In dem innern Raume stehen junge Kiefern und Eichen unregelmäßig zerstreut, längs ihrer Krone aber sieht man in geordneter Richtung einzelne alte Bäume mit schon verdorrten Wipfeln.

Dieser Ort ist unter dem Namen der Räubersschanze bekannt, wird auch wohl Röver- und fälschlich Römerschanze genannt; denn daß, wie Sickler meint, die Römer unter Domitius Aenobarbus in den Jahren 6 bis 1 vor Christus bis an den Potsdamer Werder vorgedrungen sind, und, um zu überwintern, diese Schanze angelegt haben, ist mehr als unwahrscheinlich. Sie ist in der Umgegend Potsdams gewiß einer der interessantesten und merkwürdigsten Punkte.

Seine gesicherte und abgesonderte Lage, fern von jeder gebahnten Straße, so wie die verbergende und schützende Umgebung von Wald und See, geben noch jetzt diesem Orte einen besonderen Charakter, der noch eigenthümlicher hervor tritt, wenn wir gedenken, daß derselben schon so lange und in den bedeutendsten Epochen der Geschichte dieser Gegenden der Schauplatz wichtiger und außerordentlicher Begebenheiten gewesen ist. Über die erste Entstehung dieser Befestigung ist durchaus nichts bekannt, doch erinnert die Lage und die Form des wallartigen Aufwurfs an die ähnlichen der Insel Rügen: am Hertasee, auf Arkona und dem Rugart, die sowohl als feste Punkte zur Vertheidigung, als auch zum Schutz der geheimnißvollen Opfer- und gottesdienstlichen Gebräuche dienten. Die Semnonen hatten ähnliche Religionsgebräuche, wie jene verwandten Stämme an der Ostsee, und nicht leicht hätten ihre Priester einen geeigneteren Punkt finden können zur Feier blutiger Opfer und Feste, als den sicheren und einsamen Ort, der allen Bedingungen entsprach, die sie für die Wohnsplätze ihrer Götter nothwendig gehalten zu haben scheinen.

Die Wenden, die sich später in den Besitz der Länder an der Havel setzten, und lange Zeit ihre Herrschaft in denselben behaupteten, zerstörten zwar die Götzenbilder der Semnonen, doch errichteten sie gern die eigenen an deren Stelle, und benutzen die passenden Örtlichkeiten zur Anlage ihrer festen Wohnsitze, wie später die christlichen Kirchen so häufig auf den Orten erbaut wurden, wo die Tempel wendischer Gottheiten standen. Nicht unwahrscheinlich wäre es demnach, daß auch auf dieser Höhe die Semnonischen Götter den siegsreichen Wendischen weichen mußten, die dann hier während der langen Kämpfe der Wenden mit den christlichen Sachsen, geschützt von den undurchsdringlichen Brüchern und Wäldern, einen schwer aufzufindenden und leicht zu vertheidigenden Wohnsplatz fanden. Als die Feste Brandenburg durch die Verrätherei des Haveldünischen Kneesen Tugumir in die Hände des Markgrafen Gero kam, der dann die heidnischen Völker bis zum Oderstrom besiegte, stiftete derselbe in der eroberten Stadt 946 das erste christliche Bisthum der Mark und erbaute dort die erste Kirche.

Schon dreißig Jahre später aber vertrieben die Wilzen, welche das Christenthum nur gezwungen und widerwillig angenommen hatten, die Priester und Beamten des Kaisers überall, und wandten sich zurück zu ihren alten Göttern, deren Dienst sie im Geheimen fortgeführt hatten, eroberten auch Brandenburg und Havelberg wieder und erschlugen und tödteten unter grausamen Martern die Priester. Später vereinigten sie sich mit dem Obotriten-Fürsten Billung zum Kampfe gegen die Sachsen, der mit wechselndem Glück bis zum Frieden zu Werben 1005 fortgesetzt wurde. Aber noch bis zu den Zeiten Albrecht des Bären; der Brandenburg 1157 wieder eroberte, kamen die Gegenden an der Havel bald in christliche, bald in heidnische Hände, und der etwa um das Jahr 1020 von Mistowoy III. wiederhergestellte Tempel desTriglaf auf dem Harlunger Berge ist abwechselnd bald diesem Götzen, bald dem christlichen Gottesdienst gewidmet gewesen. Ähnliches geschah zu Havelberg mit dem Tempel des uralten Götzen Gerowit.

In der Mitte des zwölften Jahrhunderts aber war die Macht der Wendischen Stämme durch Albrecht gebrochen, ihre Namen erloschen und viele derselben wurden ausgerottet. Nach Gerlachs Meinung wäre die Schanze erst in dieser Zeit entstanden und hieße eigentlich der Königswall. Er und einige andere Chronisten nehmen an, sie sei von dem Wendischen Könige Pribislaw aufgeworfen worden, als dieser sich in dem unglücklichen Kriege gegen den Markgrafen demselben zum letzten Male auf dem Potsdamer Werder entgegenstellte. In dem Königswall habe der Wendenfürst vorher die Führer seines Heeres versammelt, um zu berathen, ob noch eine Schlacht gewagt werden könne.

In dieser wildbewegten Zeit soll die erste christliche Kirche, einer Volkssage nach, in dieser Gegend erbaut und zerstört sein, und von ihr sollen auch die Spuren und Reste des Mauerwerks herstammen, welche man noch jetzt auf dem Kirchberge im Hainholze unweit der Nedlitzer Fähre, der Räuberschanze gegenüber, an der entgegengesetzten Seite des Krampnitzsees unter Moos und Rasen verborgen findet; eine Stelle, welche in der Umgegend als nicht geheuer bekannt und gefürchtet ist.

Oft mag in jenen Kämpfen die feste Schanze abwechselnd von den Wenden erobert und verlassen worden sein, oder ihnen als geheimer Aufenthalts- und Versammlungsort gedient haben, wie sie später der Schutz und die Zufluchtsstätte der Bewohner des Potsdamer Werders gewesen ist, als der raub- und mordlustige Erzbischof Burchhard von Magdeburg in den endlosen Kämpfen mit dem Havellande diese Gegenden überzog und verwüstete, oder schon damals, als die heidnischen Litthauer, vom Papste, aus Haß gegen den im Bann befindlichen Markgraf Ludwig, dazu aufgeregt, in dieselben eingefallen waren, und Hunderte von Dörfern in Asche gelegt und viele Tausend Menschen ermordet oder in die Sclaverei fortgeführt hatten.

Unter den mannichfachen Gräuelthaten, welche alte Chroniken von diesem Einfalle der Litthauer und Polen in die Marken im Jahre 1326 erzählen, sind besonders die grausamen Gewaltthätigkeiten zu erwähnen, welche die sittenlosen Barbaren gegen fromme Nonnen und sittsame Frauen verübten, deren viele sich selbst tödteten, um nicht in ihre Hände zu fallen. So sollen viele edle Jungfrauen sich freiwillig, um der Schande zu entgehen, in den Jungfernsee gestürzt haben, der seitdem diesen Namen erhalten hat. Auch soll unweit der Nedlitzer Weinberge ein sich flüchtendes edles Fräulein in die Hände zweier Litthauischer Hauptleute gerathen sein, die sich dann heftig um ihren Besitz gestritten hätten. Der Feldherr dieses Volks, David von Garthen, sei während des Streites hinzugekommen, und weil er sich über denselben erzürnt, habe er die schöne Jungfrau durch einen Hieb mitten von einander gehauen, und dann jedem der Heiden eine Hälfte zugetheilt. Die Stelle, wo das Blut der frommen Christinn den Sand geröthet hat, liegt noch jetzt todt und wüst, und kein Grashalm wurzelt auf derselben.

In den unglücklichen Zeiten, welche durch den falschen Waldemar und dann unter Jobst von Mähren - der Potsdam an Wichard von Rochow für 400 Schock böhmischer Groschen verpfändete - über die Mark kamen, als der Adel durch beständige Fehden und Plünderungen die Macht und den Einfluß der aufblühenden Städte zu brechen suchte, und in den Brüchern oder auf anderen unzugänglichen Stellen seine festen Häuser und Zwingburgen anlegte, hat sicher auch die Räuberschanze, da sich die Städte 1393 gegen den Adel verbanden, als Schlupfwinkel und Hinterhalt in den Fehden gegen Berlin, Spandow, Nauen, Potsdam und Brandenburg, in deren Mitte sie liegt, gedient.

Vor allen aber muß sie durch ihre feste Lage von Wichtigkeit gewesen sein, als sich die Raubritter zu einer Faction vereinigten, welche unter dem Namen der Stellmeiser unglaubliche Gräuel begingen und so mächtig wurden, daß sie weder durch die Fürsten, noch durch die vereinigte Macht der Städte bezwungen werden konnten. Diese Verbindung von streitlustigen Vasallen und Edelsleuten in den Marken, worunter sich besonders die Edelen Ganse von Putlitz, so wie die Quikows und Rochows namhaft machten, wurde so mächtig, daß sie dem Landesherrn die gefährlichsten Privilegien abtrotzen konnten, und als eine Macht auftraten, welche sogar mit den benachbarten Fürsten Bündnisse abschloß und Krieg führte; bis endlich durch die gesicherte Regentenfolge in der Kurmark die Ursache zu politischen Gährungen und Parteiungen verschwand.

Nun aber bildeten sich aus der Faction der Stellmeiser furchtbare Räuberhorden, welche von ihren festen Burgen und unzugänglichen Schlupfwinkeln her die Gegend weit und breit ausraubten und unsicher machten, ja sogar die Städte zwangen, mit ihnen in Gemeinschaft zu treten, oder doch die Beute ihnen abzukaufen und in sicheren Gewahrsam zu nehmen. Bei diesen Fehden und Raubzügen wurden, je mehr das Land wie jeder Einzelne darunter litt, je größere Grausamkeiten verübt, und Rache und Verzweiflung gesellten sich der Zügellosigkeit und Raublust.

Zu Spandow, auf dem Potsdamer Werder und auf dem Teltow trieben die Landesbeschädiger besonders ihr Wesen, und von dieser unglücklichen Zeit stammt wahrscheinlich der Name der Räuberschanze her. Schwer hatte das kleine Städtchen Potsdam wohl von diesen bösen Nachbaren zu leiden gehabt, von denen, in einem Briefe an den Rath von Berlin und Köln, Rudolph III., Kursfürst von Sachsen, die folgenden bezeichnet: die Ritter von Thilen, Vite von Thümen, Köpke von Bredow, Claus, Albrecht und Gebehard Griben, die Schulten Söhne von Bornim, Michael Fuchs, Hans Mederiter und Spoldenyr.

Als Friedrich I. aus dem Hause Hohenzollern - mit dem die Zeit begann, in welcher Ruhe und Sicherheit in diese Gegenden zurückkehrten, die unter seinen glorreichen Nachfolgern zu immer segensreicherem Zustande gelangten – Markgraf von Brandenburg geworden war, hatte Wichard von Rochow noch die verpfändete Stadt Potsdam im Besitz, und wollte sie nicht herausgeben, wobei er von dem widerspänstigen Adel unterstützt wurde. Friedrich aber zog mit seiner vierundszwanzigpfündigen Kanone, der sogenannten faulen Grete, von einer Burg zur andern, zwang dieselben zur Übergabe, und ließ viele Widerspänstige und Räuber hinrichten.

Auch Wichard von Rochow mußte sich in seiner festen Burg Golze ergeben, und wurde 1414 in das Schloß Potsdam gefangen gesetzt, wo er drei Jahre zubrachte, bis er Gehorsam gelobte. Den Bürgern von Potsdam, welche anfänglich gemeinsschaftliche Sache mit dem von Rochow gemacht hatten, gewährte Markgraf Friedrich Verzeihung, und erlaubte 1416, die Stadt Potsdam mit „Buten Potsdam“ durch eine Brücke zu verbinden, und darauf einen Zoll zu erheben. Bis dahin hatte nur eine Fähre über die Havel geführt.

In den folgenden ruhigeren Zeiten wurde die Schanze der Schauplatz anderer eigenthümlicher Scenen. König Siegmund hatte den Zigeunern einen Freibrief für ihre Züge durch Deutschland verliehen, welche vorgaben, aus Klein-Ägypten zu kommen, um eine siebenjährige Wallfahrt zur Buße durch die Welt zu machen. Unter ihrem Könige Zindel kamen sie 1418 zuerst in die Mark und verbreiteten sich bald in zahlreichen Stammen, deren Häupter sich Herzoge und Grafen nannten. Schon damals trieben sie geheimnißvolle Künste, Gaukeleien und Wahrsagereien, und führten unter ihren Zelten, die sie nach Gefallen an sicheren und wohlgelegenen Punkten in den Wäldern aufschlugen, ein freies und ungebundenes Leben, scheuten auch kein Mittel, um sich ihren Unterhalt zu verschaffen, als nur die Arbeit.

Die Räuberschanze vereinigte alle Eigenschaften für ihre Nomadenlager, die lange und oft hier gestanden haben. Von ihr aus zogen die Männer auf die verborgenen Unternehmungen, und Wald und See lieferten den mit allen Künsten vertrauten Kindern der Freiheit ihre leicht berückte Beute. Von hier aus wanderten die phantastisch geschmückten, klugen Alten zum Wahrsagen in die Städte und Dörfer, im Geleit der leicht geschürzten braunen Mädchen, durch deren freie Tänze, so wie durch ihre schwarzen Locken und leuchtenden Augen jede Aufmerksamkeit in Anspruch genommen und abgelenkt wurde. Noch im Anfange dieses Jahrhunderts will man von Zeit zu Zeit einzelne Zigeuner in dem ihnen durch lange Überlieferung wohl bekannten Versteck getroffen, und Spuren ihres Aufenthaltes gefunden haben.

Unter Kurfürst Albrecht versuchte der Adel in der Mark zu seiner früheren Ungebundenheit zurück zu kehren, und aus den überall herumziehenden Kriegsleuten „den einrössig Trabenden,“ die ihre Dienste ausboten, bildeten sich immer mehr Raubbanden, welche in den alten Schlupfwinkeln sich fest zu setzen strebten. Besonders war der Priegnitzische Adel nicht dahin zu bringen, von Faustrecht und Wegelagerung abzulassen. Kurfürst Albrecht aber versammelte 1477 aus den Bürgern der Städte ein Heer, eroberte viele ihrer Festen und ließ alle, der Räuberei überwiesenen, hinrichten.

Als jedoch Joachim I., noch nicht sechszehn Jahr alt, 1499 zur Regierung kam, glaubten die unruhigen Edelleute, unter einem so jungen Fürsten ungehindert auf den Stegreif ausgehen zu können. Bald wurden auch alle Landstraßen in der Kurmark wieder unsicher; man fürchtete sich vor den Raubrittern, wie vor dem Teufel, schlug bei Nennung ihres Namens das Kreuz, und betete mit den Worten der Litanei: „Für Köckeritze, Lüderitze, Krachte und Itzenplitze behüte uns lieber Herre Gott.“ Ja sogar unter den nächsten Hofleuten fanden sich solche, welche des Nachts Wegelagerung trieben, Kaufleute und Reisende beraubten und sich am Tage wieder bei Hofe einfanden. Kurfürst Joachim hielt mit Strenge auf die Beachtung des Landfriedens, ließ in einem Jahr siebzig Freibeuter hängen, und schonte auch derer nicht, die sonst bei ihm in großem Ansehen standen. So ließ er einen Hofmann Lindenberger, der bei Nacht in der Gegend von Potsdam auf Beute auszog, augenblicklich den Kopf abschlagen, als er eines Raubes überwiesen wurde.

Es konnte nicht fehlen, daß diese Strenge den Adel sehr verdroß, der sich noch nicht an die Ehrfurcht vor dem Landesherrn gewöhnen konnte, sondern darauf sann, sich zu rächen. Ein Hofjunker, von Otterstädt, wagte es sogar, an die Thür des Schlafgemachs des Kurfürsten zu schreiben: „Jochinken, Jochinken hóde dy, wo wy dy krygt, hangen wy dy.“ Ja er versuchte, diese Drohung auszuführen, und lauerte auf den Kurfürsten im Köpnicker Walde, wurde jedoch durch einen der Bauern, welche ihren Herrn sehr liebten, verrathen, mit seiner Rotte gefangen genommen und mußte sein schändliches Unternehmen büßen, indem er zu Berlin gevierttheilt und sein Kopf auf das Köpnicker Thor gesteckt wurde.

Durch solche Strenge gelang es endlich dem Kurfürsten Joachim, den Übermuth seiner ritterbürtigen Unterthanen zu zügeln, und den Gesetzen in den Marken Ehrfurcht zu verschaffen. Nun aber vereinigte sich das herrenlose Gesindel zu gefürchteten Banden, welche in diesen Gegenden bis in die Mitte des sechszehnten Jahrhunderts große Räubereien und Mordthaten verübten, und sich in Schlupfwinkeln, wie die Räuberschanze, lange gegen ihre Verfolger vertheidigten. Der Namen einiger ihrer Führer hat sich erhalten, z. B. die Zigeuner Papst und Herzog Loll, der theure Johann und Kohlhaase. Erst als sich Fürsten und Städte zu ihrer Ausrottung vereinigten, genoß in der Kurmark der Ackersmann die Frucht seiner Arbeit, die Städte blühten auf, und Alles gewann Geschmack an einem ruhigen Leben, während sich Künste und Wissenschaften immer mehr verbreiteten.

Ein Zeitraum von hundert Jahren schenkte nun der Mark den Segen der Ruhe und die Wohlthat, die kräftige und weise Regenten ihrem Volke sind. Nur noch in Mährchen und Erzählungen lebten die furchtbaren Begebenheiten, deren Schauplatz so lange diese Gegenden gewesen waren, und mit gerechter Hoffnung sahen ihre Bewohner einer glücklicheren Zukunft entgegen.

Da brach 1618 der dreißigjährige Krieg mit seinen Gräueln über Deutschland aus, und während drei Jahrzehenden wurden unter den christlichen Fahnen in allen Gauen jede Grausamkeit und jede Gewaltthätigkeit verübt. Viel litten die Marken in dieser Zeit; Schweden und kaiserliche Truppen hausten abwechselnd in denselben, überboten sich auf ihren Zügen durch das arme Land in Brandschanzungen und Erpressungen und schienen seinen Wohlstand für immer zerstören zu wollen. Mord und Brand vertilgten die Dörfer mit ihren Einwohnern, und giftige Seuchen entvölkerten die Städte. Handel und Gewerbe hatten aufgehört, nirgend ward der Acker mehr bebaut, auf meilenweiten Strecken war kein Obdach zu finden, und in den von Gluth geschwärzten Trümmern verschmachteten die hülflosen Bewohner, die nichts als das nackte Leben errettet hatten. Mußte doch der große Kurfürst später selbst Sämereien von Früchten und Gemüsen aus anderen Ländern kommen lassen, wie er die Arbeiter aus fernen Gegenden herbeizog, um das Saatkorn in den verwaisten Boden zu künftigen Ernten zu streuen.

In diesen Zeiten des grenzenlosen Unglücks veränderten Orte, wie die Räuberschanze, ihre ehemalige Bestimmung, und dienten als Schutz– und Zufluchtsorte. In die Wälder und Sümpfe flohen die verzweifelten Menschen, den Hungertod weniger als die Grausamkeit ihrer Brüder fürchtend; in solchen Plätzen verbargen sie, was ihnen von ihrem Eigenthume etwa gelungen war mit fort zu führen, und, so ward oft die letzte kostbare Habe derer vergraben, welche später, vertrieben und heimathlos umher irrend, nicht einmal selbst ein Grab in der mütterlichen Erde fanden. Daß nach dem Allen die Räuberschanze in den Überlieferungen des Volkes ein bedeutungsvoller Ort werden mußte, ist leicht erklärlich. Hier sah der Aberglaube die Geister der Erschlagenen oder die ihrer Mörder ruhelos umher schweifen, bis zu ihrer Erlösung durch die Erfüllung irgend einer wunderbaren Bedingung, oder über die Schätze wachen, die sie auf bösen Wegen gewonnen oder an welchen sie im Leben zu sehr hingen. Beschwörungen, Geisterbannungen und Schatzgräbereien sind an dem einsamen Orte noch bis zu unseren Tagen getrieben worden, und überall zeigt der Boden Spuren von Nachsuchungen, um die verborgenen Schätze aufzufinden, über deren Erfolge mancherlei dunkle Gerüchte in der Gegend verbreitet sind.

Was aber das kleine rothe Licht zu bedeuten haben mag, daß man um Mitternacht so oft in dunklen Nächten vom Kirchberge im Hainholze am anderen Ufer, langsam schwankend, über das Wasser nach der Räuberschanze hinziehen sieht, das haben schon Viele vergeblich zu erfahren gestrebt.

Quelle: Karl v. Reinhard, Sagen und Mährchen aus Potsdams Vorzeit, Potsdam 1841, Verlag der Stuhrschen Buchhandlung