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Die Schlangenkönigin im See zu Sacrow

Im Sacrowersee lebt seit unvordenklicher Zeit eine kleine, schwarze Schlange, mit einem rothgelben Fleck auf dem Kopfe, oder, wie Andere sagen, mit einer glänzend goldenen Krone. Das soll eine Schlangenköniginn sein und wer sie sieht, dem bringt sie Glück. Es ist allbekannt, daß ein Wunsch, den man ausspricht während eine Sternschnuppe fällt, sicher erfüllt wird, besonders wenn es ein rechter Herzenswunsch ist, der einem anderen Herzen gilt. So soll es nun mit der Schlangenköniginn auch sein. Diese steckt nämlich zuweilen ihren Kopf mit der goldenen Krone aus dem Wasser, meist in der Nähe der Wasserlilien und Nymphäen; wer ihn dann erblickt und schnell einen Wunsch ausspricht, dem wird er erfüllt. Der Wunsch muß aber so ganz das Herz einnehmen, daß man ihn gleich auf den Lippen hat, wenn die Schlange auftaucht; denn nicht länger wie eine Sternschnuppe fliegt, hebt sie den Kopf aus dem Wasser.

Es sind viele Wünsche erfüllt worden, die so ausgesprochen sind. Von einem ist zu erzählen, weil Jedermann den alten Richter, welcher ihn gethan, den weit berühmten Jäger, Fischer und Vogelsteller, gekannt hat. Als der einmal im Sacrowersee am Fuße des Fuchsberges angelte, tauchte die Schlange vor ihm aus dem Wasser und legte den glänzenden Kopf auf ein breites Nymphäenblatt; schnell rief er laut über den See, daß er lange leben und Alles fangen wolle, was da schwimmt, fliegt, läuft und kriecht. Die Schlange ist erschreckt untergetaucht; wer hat aber wohl den alten Richter je vorbei schießen sehen,und wer kann sich rühmen so viel Raubwild, Geflügel und so große und seltene Fische, Insecten und sonstige Creaturen gefangen zu haben, und dabei wurde er warm und kalt, naß und trocken, schlief im Walde und auf dem Eise und starb, wer weiß wie alt, ohne krank gewesen zu sein.

Auch der Adept Kunkel v. Löwenstern soll sich viel in der Umgegend von Sacrow, - wo auch Fouqué, der Dichter der Undine, seine Jugendjahre verlebte – aufgehalten und die Schlange kurz vorher gesehen haben, ehe er in seinem Laboratorium auf der Pfaueninsel die künstliche Erzeugung der edlen Crystalle erfand. Das Gasthaus an der Fähre, wo die schöne Aussicht ist, „zum Doctor Faust“, erhält das Andenken des räthselshaften Schwarzkünstlers, an dessen Bunde mit dem Bösen Niemand zweifelte.

Den Grundherren des uralten wendischen Ortes Sacrow1), soll die Schlangenköniginn von jeher wohlgesinnt gewesen sein, und die Kinder, die da geboren, sollen viel Glück, besonders in der Liebe, haben. Es geht eine Sage, sie wäre eine Prinzessinn gewesen und verzaubert worden in der Heidenzeit. Erlöst würde sie aber werden, wenn wieder eine Fürstin Grundherrinn wäre in Sacrow; der würde sie zum letzten Male erscheinen und ihr den innigsten Wunsch des Herzens erfüllen, den recht viel Herzen glücklich machen, recht viel Wünsche erfüllen zu können.

Quelle: Karl v. Reinhard, Sagen und Mährchen aus Potsdams Vorzeit, Potsdam 1841, Verlag der Stuhrschen Buchhandlung


1)
Nach einigen Nachrichten soll der Ort früher ein geweihtes Klostergut, ein Sacrum, gewesen sein und daher den Namen Sacro erhalten haben