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Der Panberg

Die zweite Gemahlin des großen Kurfürsten, Dorothea von Holstein-Sonderburg, zog den Aufenthalt in dem freundlichen Potsdam bei weitem dem in Berlin vor, und lebte daselbst, so oft es sich nur irgend thun ließ, sowohl auf dem Schlosse in der Stadt selbst, als in den von ihrem Gemahl erbauten Lustschlössern zu Caput, Fahrland, Klein Glienicke und Bornim. Besonders für die Verschönerung des Letzeren hatte der Kurfürst viel gethan. Der große Schloßgarten war mit schönen Alleen und Baumgruppen bepflanzt, die sich in mannichfacher Richtung zwischen den Wiesen und Karpfenteichen hinzogen und bald zu einer blühenden Laube, bald zu einer von Rankengewächsen überzogenen kühlen Grotte führten. Hier brachte die Kurfürstin auch in der Abwesenheit ihres Gemahles gern und oft die schönen Sommertage zu, weniger zurückverlangend in das Geräusch der Hauptstadt, als ihr Hof, dem nicht immer die stille, ländliche Einförmigkeit behagte, und dem jede Gelegenheit willkommen war, die sie unterbrach.

Als ein solches Ereigniß wurde es jedesmal betrachtet, wenn der geheime Kammerdiener des Kurfürsten, der Alchymist Kunkel, sich auf dem Landsitze einfand. Schon die bloße Gegenwart dieses geheimnißvollen Mannes setzte die Gesellschaft in eine gewisse Spannung. Oft aber auch ließ er sich bewegen, eines oder das andere seiner wunderbaren Experimente zu zeigen, die Staunen erregend und unbegreiflich waren. War er aber nicht aufgelegt dazu, und wurde ihm des Dringens zuviel, dann erschreckte und neckte er auch mal die Quäler auf mannichfache Weise. Bald fuhren Funken bei jeder Berührung aus ihren Gliedern, heftige Erschütterungen warfen sie von ihren Sitzen, die Gesichtszüge erschienen in grellem sonderbaren Lichte, allerlei Thiere drängten sich mit Gewalt und ohne abzulassen an sie heran, und dergleichen Spuk mehr.

Auch für die Unterhaltung der Herrschaft sorgte Kunkel auf eigenthümliche Art. So hatte er im Gebüsch des Gartens eine Wasserorgel angelegt, die nach seinem Willen in mächtigen und nie gehörten Tönen durch die nächtliche Stille halte, und lange Drathsaiten von verschiedener Dicke und Ausdehnung zwischen den Bäumen ausgespannt, welche wie Riesenharfen, durch den Wind bewegt, tönten. Vor Allem aber, wußte er seine Kunst in der mannichfachsten Beleuchtung des Gartens zu zeigen, der oft, wie durch Zauberei, in dem schönsten und blendendsten Lichte erschien, dann wieder plötzlich in tiefes Dunkel gehüllt war, während Bäche und Seen wie mit flüssigem Golde oder Silber gefüllt erschienen.

Daß Kunkel aber auch noch andere geheimnißsvolle Macht besaß, das wußte Jedermann, und oft wurde er angegangen, Geister erscheinen zulassen und künftige Ereignisse vorher zu bestimmen. Nur sehr selten ließ er sich zu solchen Handlungen bewegen, doch waren Thatsachen genug bekannt, welche für seinen Einfluß auf das unbekannte Reich der Geister und der Zukunft zeugten.

Nach einem solchen Besuche Kunkels in Bornim verbreitete sich das Gerücht, er habe dreien Hofsfräulein in einer Vollmondnacht die Wiesennixe sehen lassen, welche auf der von Erlen umgebenen Wiese wohnte, die jetzt einen Theil des Parks von Charlottenhof bildet. Wem es aber gelang, diese anzuschauen, dem vergingen alle Sommersprossen und Maale, wie jede entstellende Röthe im Gesicht, und sein Auge wurde schön und klar. Die drei Fräulein wollten zwar Nichts von der Sache wissen, doch vermochten sie nicht glaubhaft anzugeben, wodurch die vortheilhafte Veränderung ihres Aussehens bewirkt war. Als nun der Alchymist bald darauf wieder nach Bornim kam, wurde von allen Seiten so sehr in ihn gedrungen, ein Zeichen seiner Kunst zu geben, daß er endlich sich dem Verlangen fügte und die Gesellschaft am neunten Tage im Mond, eine halbe Stunde vor Mitternacht, wenn die Kurfürstinn sich zurückgezogen hätte, an das südliche Thor des Gartens bestellte. Von dem, was an jenem Abende geschehen, hat ein Augenzeuge Folgendes erzählt:

Wir Alle, Männer und Frauen, hatten jedes Metal ablegen müssen, auch durfte sich keine Seide an unserem Anzuge befinden. Kunkel war in einen weiten, schwarzen Mantel gehüllt und trug ein schwarzes, eckiges Barett. Zuerst sonderte er die Gesellschaft in Abtheilungen von Dreien, dessen Lebensalter jedesmal zusammen eine ungerade Zahl ausmachte. Diese, immer zwei Frauen und ein Mann oder umgekehrt, mußten sich anfassen und versprechen, sich nicht los zu lassen und kein Wort zu reden. Dann sagte er, er wolle versuchen, uns die verzauberte Gräfinn im Panberge zu zeigen. Das war uns sehr lieb, denn wir Alle kannten die alte Sage von der eitlen Mutter, welche so verliebt in die Schönheit ihrer Tochter und besonders in deren lange, blonde Haare war, daß sie darüber alle ihre Pflichten vergaß, nicht an Gott dachte und sich vermaß, nicht selig werden zu wollen, wenn ihr nur das schön gelockte Kind bliebe. Da ist sie denn in den Berg verwünscht worden so lange, bis ein Mädchen mit noch schönerem blonden Haar sie erlösen würde, die dann alle ihre Schätze bekäme.

Kunkel ging voran. Der Weg führte unter den hohen Buchen hin bis auf die Spitze des Panberges, da wo jetzt die drei Linden stehen und die schöne Aussicht ist. Unter den Bäumen war es sehr dunkel; nur einige Glühwürmer schwärmten über das Moos. Drei derselben setzten sich wie eine Agraffe auf Kunkels Barett. Als wir auf der hohen Kuppe angelangt waren, sahen wir, wie Kunkel einen Maulwurf unter dem Mantel hervorzog, den er auf die Erde setzte, und dann gebückt, wie suchend, einige Zeit hin und her ging, bis wo der Maulwurf sich in die Erde eingrub, wie Einige bemerkt haben wollen. Dann ordnete er uns schweigend zu einem Kreise, in dessen Mitte er sich nieder kauerte. Nun sahen wir, wie er an den Glühwürmern ein kleines, blaues Flämmchen entzündete, dies in ein Loch in die Erde senkte und ein schwarzes Pulver in dasselbe streute. Sogleich entstand ein dichter, weißer Dampf, der jedoch nicht in die Höhe stieg, sondern sich in einem einige Schritte weiten Kreise über die Erde ausbreitete und dann in die Tiefe einzudringen schien. So wie er aber den Sand durchzog, verwandelte sich derselbe in ein helles, durchsichtiges Krystall, durch welches man immer tiefer in den Berg hineinsehen konnte.

Auf diese Weise wurde nach und nach das ganze Innere des Berges sichtbar, und in der Mitte auf einem prächtigen Sessel, umgeben von vielerlei Kostbarkeiten, sah man regungslos eine Frau in reich verzierter, alterthümlicher Tracht sitzen, in ihren Armen ein zartes, liebliches Mädchen haltend, dessen lange, hellgoldgelben Locken sie in der Hand hielt, als wäre sie beschäftigt, sie zu kämmen und zu ordnen.

Nur wenige Augenblicke war uns dieser seltssame Anblick gewährt. Der Berg verdunkelte sich schnell auf ähnliche Weise, wie er früher durchsichtig geworden, von Innen nach Oben, und bald glänzten nur noch die drei Leuchtwürmer auf dem Barett Kunkels durch die finstere Nacht.

Quelle: Karl v. Reinhard, Sagen und Mährchen aus Potsdams Vorzeit, Potsdam 1841, Verlag der Stuhrschen Buchhandlung