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Die Pfaueninsel

Bis auf den großen Kurfürsten zurück lassen sich fast von jeder nützlichen Einrichtung, wie von jedem Bestreben in Kunst und Wissenschaft die Fäden verfolgen, welche den außerordentlichen Geist dieses seltenen Mannes mit dem Ruhme und der Bedeutung unseres Vaterlandes verknüpfen, dessen Glanz durch ihn gegründet und durch seine großen, an allen Regententugenden reichen Nachfolger entwickelt und vermehrt wurde.

Und wie groß waren die Schwierigkeiten, mit denen Friedrich Wilhelm kämpfen mußte; der dreißigiährige Krieg hatte das Land verödet, die Pest seine Bewohner getödtet; er mußte bei Allem von vorn anfangen und erst begründen und wiederschaffen, was auszubilden und weiterzuführen schon seinen Ruhm gesichert haben würde. Was aber vor Allem seinen Bestrebungen hemmende Fesseln anlegte, war der Aberglaube und die beschränkten und vernunftwidrigen Ansichten seiner Zeit. Hexerei, Teufelsbeschwörungen und schwarze Kunst standen in ungekränktem Ansehen; über Recht und Unrecht herrschten nur unklare Begriffe, und die rücksichtslos geführten kleinlichen Streitigkeiten der christlichen Secten untergruben Glauben und Sitten. Der Kurfürst stand mit klarem Sinn über allen diesen Wirren, und bis zu seinem Tode strebte er, sie aufzuklären und sein Wissen zu bereichern.

Dies vorherrschende Bestreben führte ihn der Alchymie zu, deren Eingeweihte sich damals noch bemühten, die Erzeugung des Goldes, den Stein der Weisen und das Elixir des Lebens zu entdecken; es konnte nicht fehlen, daß der nach allem Neuen und Wissenswerthen lebhaft strebende Geist empfänglich für ihre wunderbaren Lehren war. Aber auch in dieser Liebhaberei kam es dem Kurfürsten besonders auf das Nützliche an; so nahm er den Alchymisten Daniel Krafft, der das Geheimniß Stahl zu machen, entdeckt hatte, in Dienst, er kaufte das Sonnenthalsche Speculum Hermeticum, und verwandte Zeit und Geld, um die geheimnißvollen Recepte zu prüfen.

Auch den berühmten Alchymisten Kunkel von Löwenstern gewann er für sich und trat in ein Verhältniß zu demselben, über welchem noch bis jetzt ein Schleier ruht. Dieser Schwarzkünstler, wie ihn der Ruf nannte, wurde zum geheimen Kammerdiener ernannt, arbeitete mit dem Fürsten im Laboratorium und weihte denselben in die unbekannten und gefährlichen Mysterien seiner Kunst ein, wobei der sonst so wohl wirthschaftende Herr keine Kosten scheute.

Kunkel hatte sich besonders mit der Erzeugung der Krystalle beschäftigt, und nach schwerer Mühe in mancher langen Nacht war es ihm gelungen, aus Salzen und Steinen das helle, durchsichtige Krystal zu schmelzen; – mit Hülfe des Bösen — wie die Leute sagten. Nun erbaute ihm der Kursfürst eine Glashütte an der Nuthe unweit der Wassermühlen am Hakschen Damm und richtete eine Glasschleiferei in Berlin ein. Mit den kostbaren Gefäßen zog dann Kunkel auf die Jahrmärkte im Lande umher. So sehr diese Waare auch beliebt war, so gescheut und gefürchtet war er selbst; denn überall gab er Zeichen seiner Kunst und seines geheimnißvollen Wissens. Mißwachs und Naturereignisse wußte er voraus, oder konnte sie gar nach seinem Willen herbeiführen oder ablenken; Betrüger und Diebe entdeckte er durch seine Kabbala und zwang sie sogar, das Gestohlene wieder zu bringen; alle Thiere gehorchten seinem Gebot, für die böseste Krankheit hatte er ein Mittel, und er selbst war fest gegen jede Verwundung.

Die Pfaueninsel, damals Kaninchenwerder genannt, eine unbekannte, mit uralten Eichen bedeckte, einsam in dem mit dunklen Kiefern eingeschlossenen Havelbecken gelegene Insel, hatte der Kurfürst dem Schwarzkünstler geschenkt und ihm am oberen Ende derselben, zwischen der jetzigen Meierei und dem Jagdschirm, ein Laboratorium einrichten lassen. Hierher zog er sich zurück, wenn er von seinen Wanderungen heim kam, hier entzifferte er die geheimnißvollen Zeichen der vergelbten Pergamente, welche der Kurfürst in fernen Landen hatte aufsuchen lassen, und in dem festen Gewölbe, das außer ihm keines Menschen Fuß betreten durfte, mischte er nach den dunklen Vorschriften die Substanzen: Erden, Metalle, Salze, Glieder widerlicher Thiere und schädliche Gifte; sprach die wirkenden Formeln darüber aus und ließ sie dann schmelzen, gähren oder mit einander aufbrausen und wallen, um sie in neue und kostbare Körper zu verwandeln.

Besonders waren seine Arbeiten darauf gerichtet, die Blüthen des Mineralreiches, die Edelsteine, zu erzeugen, und Wochen lang sah man zur Nachtzeit aus dem hohen Schlot die rothe Gluth und am Tage den dicken Qualm steigen, der ringsumher jedes Gewächs verdorrte; bis dann entweder nach einem dumpfen Schlage eine Flammensäule knisternd in die Luft sprühte, oder die Rauchwolke immer dünner und blässer wurde, und Kunkel nach so vielen durchwachten Nächten bleich, mit hohlen Augen und finsterem Blick wieder heraus an das Licht der Sonne trat, um, vom Kurfürsten mit neuen Summen ausgestattet, den vergeblichen Versuch wieder von vorn zu beginnen.

Als dieser ihm aber einst einen Beutel mit fast 2000 Ducaten gegeben hatte, mit dem ernsten Bedeuten, daß dies der letzte Zuschuß zu seinen allzu kostbaren Versuchen sein würde, da trug der bleiche Alchymist denselben mit bitterem Hohne in sein Laboratorium und warf das Gold, nachdem er noch einmal lange die kabbalistischen Zeichen durchforscht, verzweifelt in den Tiegel, in welchem eine glänzende Glasfritte in ätzender Säure walte; dann sank er betäubt am Herde nieder. Als er aber wieder erwachte, da funkelte es in dem Tiegel purpurroth und die Masse hatte sich zum kostbaren Rubinkrystal verwandelt, dessen Erzeugung er so lange Zeit nachgestrebt hatte. Diese wichtige Entdeckung sicherte ihm die Gunst seines Herrn von Neuem und machte seinen Namen weit berühmt. Noch jetzt zeigt man in Berlin kostbare Schalen und Deckelgläser von diesem Rubinfluß Kunkels. Je größer aber Kunkels Ruf wurde und je tiefer er in die Geheimnisse seiner gefährlichen Wissenschaft eindrang, um so mehr sonderte er sich von den Menschen ab und verlebte immer längere Zeit in der Einsamkeit seiner Insel, welche nach und nach in immer ärgeren Ruf gerieth. Nachdem ihm sein alter Diener Klaus verlassen hatte, - der Heideläufer geworden war, kurz darauf aber, im Jahre 1653, in Berlin wegen erwiesener Zauberei hingerichtet wurde, – nahm er einen mißgestaltenen Menschen in seinen Dienst, der bald nachher die Sprache verlor, ihm aber mit anhänglicher Treue zugethan blieb. Nur dieser stumme Gefährte durfte mit ihm die Insel betreten, zu deren Schutz ein großer schwarzer Hund diente, der Kunkel auch auf seinen einsamen Ausflügen in das Dunkel der Wälder begleitete. Dieser böse Hund war weit umher gefürchtet, und seine glühenden Augen, besonders aber sein im Finstern leuchtendes, zottiges Haar gaben Veranslassung zu dem Glauben, daß es ein böser Geist wäre, der dem Schwarzkünstler diene, bis er dessen Seele zur Hölle führen würde.

Die Insel, welche jetzt in allen Reizen der Natur prangt, und zu der, als dem Lieblingsorte des unvergeßlichen Königs, von nahe und fern die Schaaren ziehen, ward gefürchtet und geflohen. Nie landete ein Schiff an ihren Ufern, und wagte ein tollkühner Fischer oder ein fremder Schiffer, ihren Boden zu berühren, hatte er sein Glück zupreisen, wurde er bloß durch wunderbare Neckereien vertrieben; gemeiniglich mußte er den Versuch mit dem Untergange seines Fahrzeuges büßen, das auf unerklärliche Weise wie faules Holz zerfiel, oder wie ein Schwamm Wasser einsog und untersank. Weit und eilig wich Jedermann aus, der den gefürchteten Alchymisten in Feld und Wald begegnete, und selbst die Schiffer fuhren nach dementfernten Strande, wenn er auf seinem muschelsartigen Sitze, der sich wie von selbst durch Räderschaufeln bewegte, über das Wasser glitt, um sich in der von schattigen Erlen bekränzten Bucht zu baden, bei welcher jetzt der Weg, Sakrow gegenüber, zur Havel hinab führt.

Nach dem Tode des Kurfürsten gerieth Kunkel 1689 in mancherlei Untersuchungen, auch sollte er sich über die Verwendung der von dem Erblichnen nach und nach empfangenen 27,084 Thaler ausweisen; doch konnten die Commissarien ihm nichts anhaben, und er setzte seine geheimnisvollen Arbeiten auf seiner Insel fort, bis er nach Schweden ging.

Auch nach seinem Tode soll sich von diesem Orte sein Geist nicht haben trennen können, der bald hier, bald da wahrgenommen worden ist. Der feurige Hund soll sogar noch jetzt zuweilen längs dem Strande der Havel, wie suchend, bis zu der Badebucht seines Herrn hineilen, und dann mit jämmerlichem Geheul im Walde verschwinden.

Quelle: Karl v. Reinhard, Sagen und Mährchen aus Potsdams Vorzeit, Potsdam 1841, Verlag der Stuhrschen Buchhandlung