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Der düstere Teich bei Lindstädt (v. Reinhard)

Wenn man von den erst ohnlängst am Neuen Palais entstandenen Anlagen aus, dem kleinen Bache folgt, der die grünen Wiesen des idyllischen Gutes Lindstadt bewässert, das bald eine neue, schöne Erweiterung des Gartens von Sanssouci bilden wird; so gelangt man zu einem dunkelen Wasserbehälter, der einsam und still zwischen den steilen Höhen des Pans und Herzberges liegt. Ehe dieser Bach, - welcher sonst das tiefe Bruch bewässerte, aus dem der große König den Garten schuf, den sein edler, allgeliebter Enkel mit so seltenem Kunstsinn erweitert und verschönt, - an manchen Stellen zum Zweck der Ueberrieselungen angestauet wurde, konnte man sechs Quellen zählen, aus welchen er sein Wasser erhält, und eine siebente, die größte, ist im Grunde des düsteren Teichs. In früheren Zeiten, als diese abgelegene Gegend noch mit uraltem Eichenwalde bedeckt war, dessen knorrige Äste weit über den See ragten, war dieser düstere Ort verrufen und geflohen, und noch jetzt vermeiden die Bewohner der Umgegend zur Nachtzeit seine Ufer und erzählen von mancherlei Spuk, der dort umgeht.

Ein großer, mächtiger Stein, der Teufelsstein, soll früher an der Stelle des Sees gelegen haben, und erst als dieser versunken, ist das Wasser aus der Tiefe gedrungen. Wie dieser Stein dahin gekommen, darüber sind von je her zwei verschiedene Geschichten erzählt worden. Nach einer Sage soll der Teufel sehr ergrimmt gewesen sein, als man die erste christliche Kirche in diesen Landen, auf dem Kirchberge im Hainholze, ohnweit der Nedalitzer Fähre, gebaut hatte; weil er glaubte, sein Reich würde nun ein Ende haben. Gern hätte er die Kirche zerstört, er konnte aber nicht an sie heran, weil rings umber der Boden geweiht war.

Da hat er denn recht ingrimmig auf den nächsten Bergen gestanden, wenn das Kreuz auf dem Thürmchen im Abend - und Morgenschein weithin über den dunkelen Wald leuchtete, oder das helle Glöckchen durch die Gegend schallte. Einmal aber ist er so zornig und wüthend geworden, daß er von dem Berge hinter der Krampnitz aus den großen Granitstein nach dem Gotteshause geworfen hat, um es zu zerstören. Der Stein aber flog weit über das Kreuz hinweg und blieb an dem Fuße des Panberges liegen.

Andere, die es besser wissen wollen, erzählen: der Stein habe früher auf der Kuppe des Panberges gelegen und sei ein heidnischer Opferstein gewesen. Als nun das Christenthum sich in den Marken verbreitet, sei er, nachdem das Götzenbild auf dem Berge von den Christenpriestern zerstört worden, in die mit dichtem Wald und Gestrüpp bedeckte Schlucht herabgerollt. Da haben denn die Anhänger der alten Götter noch viele, viele Jahre hier heimlich ihre Opfer gebracht und die Feste in gewohnter Weise gefeiert, bis sie endlich ausgestorben und die Christenpriester die uralten Gebrauche in ihren Kirchendienst aufgenommen hatten, um das Volk für diesen zu gewinnen, wie die Bescheerung zu Weihnachten, die Johannis-Feuer, das Maifest u. s. w.

Später habe sich nun ein Stamm der Unterirdischen unter dem Steine angesiedelt, von wo aus der Eingang in die Gemächer und Höhlen der kleinen Zwerge gegangen sei. Von dem Leben und Treiben dieser Gnomen wird gar mancherlei erzählt und viele sonderbare Geschichten haben sich in der Umgegend erhalten. Bald schildern diese die kleinen Erdgeister als gute, den Menschen freundlich gesinnte Wesen, bald als hülfreiche aber neckische Kobolde, oft aber auch als böse, hinterlistige Tückebolde, die den Leuten Schaden und Unglück bringen.

Diese Verschiedenheit kommt daher, daß es drei Stämme solcher Unterirdischen giebt, in Art und Character so verschieden, wie an Bildung und Farbe. Die Weißen sind guten Sinnes, halten sich gern zu den Menschen und sind ihnen hülfreich und förderlich, so lange sie nicht geneckt oder arg behandelt werden. Von weniger guter Art sind die Grauen, doch schaden auch diese den Menschen ungeneckt nicht absichtlich, wenn sie ihnen auch gern Possen spielen und bei dem Schabernack, den sie treiben, es so genau nicht nehmen, ob ihre Späße und Neckereien Unheil anrichten; ja sie haben es wohl gern, wenn sie die Leute ärgern, erschrecken, irre führen und foppen können. Diese weißen und grauen Erdzwerge sind immer hier heimisch gewesen, schon von uralter Zeit; die Schwarzen aber sind erst mit dem Teufel ins Land gekommen und sind recht bösen Sinnes und häßlicher, widerwärtiger Art. Wo sie schaden und verderben können, gehen sie mit Lust daran und ihr tückischer Sinn verläßt sie nicht, wenn sie auch auf irgend eine Weise veranlaßt sich in den Dienst der Menschen gegeben, oder von diesen durch geheime Mittel gezwungen worden gehorsam und folgsam zu sein.

Um einen solchen Unterirdischen, der sich auch unsichtbar machen und in mancherlei Gestalten verwandeln kann, zu seinem Dienste zu zwingen, braucht man sich nur etwas ihm Angehörendes zu verschaffen; dies muß er wieder einlösen. Am leichtesten geschieht dies, wenn man sie bei ihren Tanzfesten überrascht, die sie in den Vollmondnächten auf einsamen Waldplätzen feiern. Schleicht man sich an sie heran und wirft mit Erbsen oder kleinen Steinen unter sie, so müssen sie liegen lassen was getroffen wird. So machte es ein Bauer aus Bornim, der fand dann auf dem Platze eine kleine Glocke, wie sie die Kleinen an ihrer Mütze tragen. Um andern Morgen kam der Zwerg, dem sie gehörte, als ein Jude verwandelt in das Haus des Bauern, feilschte um die Glocke und kaufte sie um zweihundert Goldgulden. Oft begeben sich die weißen und grauen Zwerge in die Häuser, wenn Musik darin - gemacht wird, oder setzen sich Nachts auf die warmen Feuerstellen; gehen auch wohl den Mägden und Knechten hülfreich zur Hand. Haben sie dies einmal gethan, so bleiben sie gern dienstbar, essen auch die für sie hingestellten Speisen, nur wenn man ihnen etwas schenkt, halten sie sich für abgelohnt und kommen nicht wieder.

In die Höhlen der Unterirdischen, zu welchen der Eingang unter dem Steine am Fuße des Panberges war, sind auch von Zeit zu Zeit Menschen aus der Umgegend gekommen, besonders Kinder, alle auf sonderbare und unvorhergesehene Weise. Einige haben Geld und Kleinode mit zurück gebracht; Andere kamen nach kurzer Zeit ganz alt und verändert wieder, oder sind von argem Spuk geneckt worden. Alle aber konnten nicht genug erzählen von der Pracht und Ausdehnung der Höhlen und Gänge, den Schätzen und wunderbaren Dingen, die sie unten gesehen und erlebt: Man erzählt auch von einer frommen Wittwe, die sieben Töchter gehabt, welche sie in Sorgen erzogen. Diese Kinder hätten die Zwerge mit in den Berg genommen, mit ihnen gespielt und sie genährt, wenn die Mutter bei der Arbeit auf dem Felde war. - Die Frau hat es wohl gewußt und es gern gesehen. Der Pfarrer aber hat sie sehr gescholten und ihr geheißen die Kinder zurück zu halten, auch ihr einen Bannspruch gelehrt, dem die Zwerge gehorchen mußten. Als sie nun eines Tages früher vom Felde kam und die Kinder nicht zu Hause fand, ist sie zum Teufelsstein gegangen und hat die Kinder gerufen wie ihr der Pfarrer geheißen. Da haben die sieben Mädchen an sieben verschiedenen Stellen die kleinen Köpfchen aus der Erde gesteckt und die Mutter recht wehmüthig angesehen. Als diese nun aber den Bannspruch gesagt, sind die Köpfchen in die Erde zurück gesunken und an ihrer Stelle sind die sieben Quellen hervor gekommen.

Wann und wie es nun geschehen, daß der Teufelsstein in die Tiefe gesunken und das Wasser empor getreten ist, darüber weiß man nichts gewisses. Zur Zeit des dreißigjährigen Krieges soll er noch da gelegen und viel schwedische Krieger um ihn begraben sein. Manche meinen er wäre eingesunken, während diesen eine Todtenfeier gehalten; Andere sagen, der Alchymist Kunkel habe unter ihm nach dem Golde der Zwerge gegraben und von diesen sei er hinab gezogen um die Schätze zu retten und den Schwarzkünstler zu verderben.

Später haben sich dann die Unterirdischen nach und nach aus unserer Gegend weg begeben, und nur selten soll sich noch Einer von ihnen, der die Schätze bewachen muß, am düsteren Teich oder in den Kellern des Hauses Lindstädt sehen lassen.

Quelle: Karl v. Reinhard, Sagen und Mährchen aus Potsdams Vorzeit, Potsdam 1841, Verlag der Stuhrschen Buchhandlung