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Der Teufelssee

(Am Fuße des Ravensberges, unweit Bergholz)

Der Teufelssee ist von jeher ein Ort gewesen, von welchem man Spuks- und Teufelsgeschichten jeder Art erzählt hat, und seine einsame dunkle Lage am Fuße des 200 Fuß hohen waldigen Ravensberges, die alten, seltsam geformten, dunkelgrünen Kiefern, welche an seinen Ufern stehen und die langen entblößten Wurzeln zu der finstern, fast kreisrunden Wasserflache hinabstrecken, wie das tiefe, nur vom Rauschen der Zweige oder dem kreischenden Geschrei eines Raubvogels unterbrochene Schweigen, welches stets in diesem abgelegenen Thalkessel herrscht, machen ihn völlig geeignet zum Schauplatze unheimlicher oder geheimnißvoller Ereignisse. Noch jetzt, versichert man, lebe in dem unergründlichen See nur eine eigene Art schwarzer Fische, nie lasse sich ein Vogel auf seine Oberfläche nieder, und nur Raubthiere stillten ihren Durst mit seinem Wasser.

Wo jetzt der See ist, soll vor alten Zeiten ein Götzenbild gestanden haben, zu welchem auch nach der Bekehrung der Wenden, durch das Schwert Heinrich des Voglers zum Christenthume, noch lange Zeit seine Verehrer aus der Umgegend herbei kamen, um ihre Opfer zu bringen und seine Gunst zu erbitten. Der Teufel aber hat das Götzenbild davon getragen und das Seine an die Stelle gesetzt. Da nun die Wenden nur des Nachts bei Mondschein zum Opfern gekommen sind, haben sie den Tausch nicht bemerkt, und der Teufel hat sich lange Zeit sehr darüber gefreut, daß man ihn angebetet in christlichen Landen, hat auch allerlei Zeichen und Wunder gethan, so daß sich der Ruf des Götzenbildes am Ravensberge immer weiter verbreitete, und von nah und fern immer zahlreichere Wallfahrten im Geheimen dahin geschahen; die dann des Nachts bei Fackelschein und hoch lodernden Feuern die alten heidnischen Feste in dem abgelegenen Thale begingen.

Die Geistlichkeit hatte zwar davon gehört, doch vermochte sie in dem dichten Walde den Opferplatz nicht aufzufinden, wenn sie hinaus zog mit ihren Lehnsmannen, unter denen manche gar wohl im Dunklen den Weg zu finden wußten; und ließ sie in den Nächten der alten Götzenfeste den Wald umstellen, um den Wallfahrern aufzulauern, so wurden die Wächter geschreckt durch gräßliche Töne und geistverwirrende Erscheinungen, oder man fand diese am andern Morgen zerrissen und entstellt auf den Kreuzwegen.

Da ist endlich vom Bischof von Brandenburg ein Mönch aus Italien, ein berühmter Geisterbanner und Teufelsbeschwörer, in die Gegend geschickt worden, der hat sich lange Zeit heimlich im Kloster zu Lehnin und Saarmund aufgehalten, bis er genug ausgeforscht und erfahren; dann ist der heilige Mann wiedergekommen mit großer Vollmacht von den Bischöfen zu Magdeburg, Havelberg und Brandenburg, und hat ein Ketzergericht niedergesetzt zu Saarmund im Kloster. Dahin sind Viele berufen, die des Götzendienstes verdächtig waren, und diejenigen, welche solcher Sünde überwiesen worden, sind alle hingerichtet, die Zeugen aber haben Vergebung und Ablaß erhalten. Dann hat der Mönch die Ritter und Herren, Lehnsvogte und Bürger aufgefordert zu einem Zuge zur Zerstörung des Götzenbildes, und an drei Sonntagen vorher sind alle Glocken rings umher geläutet und Ablaß von den Kanzeln verkündet worden. Um vierten Sonntage ist dann der Zug von Saarmund aus aufgebrochen; die Mönche voran mit Kerzen und Weihwasser.

Die Reisigen haben alsbald den Ravensberg in einem weiten Kreise umstellt, der nachher immer dichter geschlossen wurde. Als der Zug ausgezogen am Morgen, ist es helles schönes Wetter gewesen, kaum aber ist er in den Wald gekommen, so hat sich ein heulender Sturm erhoben, und dicke Gewitterwolken haben sich über der Kuppe des Berges zusammengezogen; darauf ist eine ängstlich schwüle Stille eingetreten, und kein Blatt am Baume hat sich geregt. Der Kreis aber ist bald hier, bald dort durch Wölfe und anderes Raubwild auseinander gesprengt und erschreckt worden. So hat es bis zum Nachmittage gewährt, als endlich die Procession an die runde Mooswiese im Grunde des Thales gelangte, in deren Mitte unter dem uralten Kreise von fast abgestorbenen Kiefern das Götzenbild vor dem Opfersteine stand.

Um diese Wiese schritt nun der Mönch, geheimnißvolle Gebete murmelnd, mit dem Weihwasser, pflanzte am Rande derselben kleine Kreuze von geweihtem Holze auf, und stellte sich dann außerhalb des so bezeichneten Ringes dem Götzenbilde gegenüber mit seinen Gehülfen und den heiligen Geräthen auf. Noch immer währte die ängstliche Stille, nur vom Fußtritt des hagern bleichen Mönches in seiner weißen Kutte und seinen fremdländischen Worten unterbrochen. Kaum aber begann derselbe mit dumpfem Ton seine Beschwörung, da senkte sich die dunkle Wetterwolke in das Thal herab, so daß in demselben eine unheimliche Dämmerung herrschte, wie bei einer Sonnenfinsterniß. Aus der Wolke aber blitzte es Strahl auf Strahl, und der Donner schmetterte ohne Aufhören, während Regen und Schloßen prasselnd von allen Seiten nieder rauschten, so daß von den Bergwänden das Wasser in Strömen herab stürzte. Durch das Toben der Elemente aber hörte man in Zwischenräumen die Beschwörungsformeln des Mönches, der sich nicht einen Augenblick in seiner Handlung stören ließ. Nach einiger Zeit rollten sich die Wolken wie mächtige Ballen an den Thalwänden in die Höhe und wölbten sich gleich einer Kuppel über den Grund; die sinkende Sonne warf ihre Strahlen gegen dieselbe, die mit einem so gelben Lichte zurückgeworfen wurden, daß der ganze Raum in gelbgrünem Feuer zu brennen schien.

Auf das sinnverwirrende Toben war eine lautlose Stille gefolgt; diese todte Stile war aber viel schauerlicher als das Rauschen und der Donner vorher. Die geblendeten Menschen bebten und schirmten ihre Augen vor dem grellen Lichte; der bleiche Mönch jedoch erhob lauter seine Stimme, und die geheimnißvollen Worte halten durch den Wald, wie durch die Säulen einer Kirche. Dann ergriff er das Crucifix und den Weihwedel, und nahte sich dem Kreise; nun erschollen von allen Seiten, aus der Erde und aus der Höhe so gräßliche und nie gehörte Töne, und es brauste, rauschte, pfiff und heulte so grausig, daß die Reisigen und Klosterbrüder niedersanken und ihre Häupter verbargen. Der fremde Mönch aber ging laut betend dem Kreise näher. Da ward es plötzlich tiefe, finstre Nacht, dann schmetterte ein heller Blitzstrahl dicht vor dem Mönche nieder in den Kreis; der aber schritt festen Fußes weiter, die Hände hoch aufgehoben, in der einen das Christusbild, in der andern das geweihte Wasser, gewaltig ausrufend die zwingende Beschwörung. Schon berührte sein Fuß den Kreis, da borst in demselben die Erde gähnend auf, das Teufelsbild sank unter in die Tiefe, aus welcher ein erstickender Brodem emporstieg, und der dunkle schweigende See erfüllte seit der Zeit den Boden des Thals.

Wer aber späterhin unheimlichen Verkehr mit dem Bösen hat pflegen wollen, der brauchte nur hinaus zu gehen an den See um die Mitternachtsstunde, und seinen Namen dreimal über das Wasser hin zu rufen.

Quelle: Karl v. Reinhard, Sagen und Mährchen aus Potsdams Vorzeit, Potsdam 1841, Verlag der Stuhrschen Buchhandlung