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Die Wendenschlacht bei Potsdam

(1136)

Nachdem durch Otto III. die wendischen Völkerschaften zwischen der Elbe und Oder wieder besiegt und unter seine Botmäßigkeit gebracht waren, suchte dieser auf jede Weise das Christenthum unter ihnen zu verbreiten, ließ ihnen aber sonst viele ihrer alten Gerechtsame und Gesetze, wie es auch früher Heinrich der Vogler gethan; besetzte die Städte, ließ sich bestimmten Tribut zahlen, und verfuhr nur strenge bei der Ausrottung des Heidenthums.

Die fränkischen Kaiser aber, welche auf die sich immer mehr nach Osten hin ausbreitende Macht der Sachsen eifersüchtig waren, ermunterten und unterstützten die Wenden zu neuem Abfall, und es gelang diesen, sich wieder in Besitz ihrer alten Länder zu setzen; sie eroberten im Jahre 1030 sogar die Feste Brandenburg wieder, wo Heinrich an der Stelle des Triglaf - Tempels auf dem Harlunger Berge die erste christliche Kirche hatte erbauen lassen, die er der Jungfrau Maria weihte.

Als jedoch Lothar aus dem sächsischen Hause Herr von Deutschland wurde, bot dieser alle seine Kräfte auf, um die wendischen Völker wieder unter seinen Scepter zu bringen. Wo dies gelang, mußten sie ihren Abfall schwer büßen; sie verloren alle ihre Rechte, und wurden mit großer Strenge als aufrührerische Unterthanen behandelt; ja es wurde sogar ein Fürst aus deutschem Stamme, Albrecht der Bär, aus dem Hause Askanien, über sie gesetzt, von welcher Zeit an eine neue Ordnung der Dinge in den jetzigen Marken begann.

Das Glück hatte die Wenden verlassen; zwar war ihr Widerstand kühn und hartnäckig, aber in sich uneins, entbehrte derselbe die nöthige Einheit, und so heldenmüthig sie auch in den einzelnen Kämpfen den Boden ihrer Väter vertheidigten, sie wurden überall zurückgedrängt, und immer mächtiger breiteten sich die Deutschen aus. Pribislaw und Niklot, Söhne des verstorbenen Obotritenkönigs, sahen mit Furcht den Feind sich immer mehr ihren Ländern an der Ostsee nahen; da ergriff Pribislaw, ein kühner und tapferer Fürst, mächtiges Heer, und bald machte er sich zum Gebieter aller Länder zwischen der Ostsee und der Havel; er griff selbst Albrecht an, der vom Könige zum Markgrafen über die Nordmark (Altmark) gesetzt war. Dieser aber stellte ihm bald ein kriegsgeübtes Heer entgegen, und das Havelland ist Zeuge manches blutigen Kampfes gewesen. So sehr nun auch Pribislaw verstand, den Vortheil des Bodens in dem von Wasser und Weichland vielfach durchschnittenen Lande zu benutzen, und so kühn seine Wenden, Ritter und Mannen, fochten, Albrecht der Bär drängte mit seinen besser gerüsteten Streitern immer gewaltiger auf ihn ein. Da zog Pribislaw seine ganze Macht zur letzten entscheidenden Schlacht auf dem Potsdamer Werder zusammen.

Rings von den Armen der Havel und tiefen Mooren umgeben, erwartete das Heer schweigend den Angriff. Albrecht mußte sich entschließen, im Angesicht desselben über die Havel zu setzen oder Dämme durch die Sümpfe aufzuwerfen. Er wählte zum Übergange die Stelle am Babelsberge, wo sich noch jetzt eine schmale Landzunge weit in die Havel erstreckt. Mächtige Flöße und zahlreiche Boote waren in der Bucht bei Glienicke zusammen gebracht und wohl eingeübt, schnell eine breite Brücke an der Landzunge zu bilden. Durch diesen Angriffspunkt war Pribislaw gezwungen, sein Heer auf dem engen Raume zwischen der jetzigen Stadt, dem heiligen See und der Havel aufzustellen; er konnte dem Angreifer nur die gleiche Front bieten, und war verhindert, irgend eine Bewegung auf dessen Flanken zu machen. Sein Rückzug aber, im Fall der Feind siegte, war nur auf den schmalen Landstrichen an beiden Enden des Heiligen Sees möglich.

Nach der Einsegnung des Heeres ward vor Aufgang der Sonne schnell die breite Flußbrücke aufgefahren, und die Fahrzeuge füllten sich mit Streitern. Ein Theil der Ritter war abgestiegen; in dichter Eisenrüstung schritten sie voran und brachen mit ihren Speeren sich Bahn in den nur leicht geharnischten Haufen der Wenden, die mit Streitäxten, Keulen, Schwertern und Schilden vergeblich ihrem Vordringen sich widersetzten. Bald war Raum um den Landungsplatz gewonnen. Albrecht mit seinen Rittern stürzte sich in den dichtgedrängten Feind, und es entspann sich ein langer, verzweifelter Kampf. Tausende fielen auf dem engen Raume, während von der einen Seite die langen Hörner und das dumpfe Schlachtgeheul, von der andern die schmetternden Trompeten und der laute Zuruf der Führer die Streiter zu immer neuen Anstrengungen ermunterte. Da sank die heilige Fahne der Wenden, und sie wandten sich zur Flucht. Vergebens bemühte sich Pribislaw diese aufzuhalten. Nach der Stadt zu drängte sich die wirre Masse, dicht hinter sich den mordenden Feind. Hier aber trat ein Anderer den Fliehenden entgegen. Albrecht hatte eine starke Schaar bei Werder in der Nacht über die Havel setzen lassen, und diese rückte jetzt gegen die Wenden an, in deren Reihen nun von allen Seiten der Tod wüthete.

Verzweiflungsvoll sammelten sich um den Wendenfürsten seine Edlen. Die kühne Schaar mit den dunklen Augen und schwarzen Locken brach sich Bahn längs den Ufern des Heiligen Sees, um da, wo am oberen Ende desselben der Graben ihn jetzt mit der Havel verbindet, die Flucht zu versuchen. In der Gegend von Nedlitz aber trafen sie von Neuem auf den Feind, der auch diesen Ausweg besetzen wollte. Vergeblich strebte der tapfere Fürst sich durchzukämpfen, die Übermacht war zu groß. Fast alle die Seinen fielen um ihn her, und immer weiter wurde er zurückgedrängt nach der Gegend, woher das Siegesgeschrei der Deutschen erscholl. Da wandte Prisbislaw, des verlassenen Vaterlandes gedenkend, das hohe starke Pferd nach der Gegend, wo sich, Sakrow gegenüber, das Ufer am weitesten in die Havel erstreckt, kühn trieb er das schnaubende Roß hinein in die Fluth und erreichte schwimmend den sicheren Strand, er allein gerettet von so vielen Tausenden.

Noch jetzt findet man auf dem Schlachtfelde Pfeilspitzen, Waffenstücke und Gebeine in dem weißen Sande, der das Blut der Wenden in der letzten Schlacht trank, und der Kreisrunde Erdhügel am Wege nach der Nedlitzer Fähre, der Räubersschanze gegenüber, soll das weite Grab ihrer Edlen bedecken.

Bald nachher ergab sich auch die feste Hauptsstadt Brandenburg den Deutschen, deren Marken sich nun immer mehr nach Norden und Osten erweiterten.

Quelle: Karl v. Reinhard, Sagen und Mährchen aus Potsdams Vorzeit, Potsdam 1841, Verlag der Stuhrschen Buchhandlung