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Der alte und der junge Zauberer

Wenn man sich auf der Straße, die von Bautzen nach Königswartha führt, unterhalb Luga nach links wendet, gelangt man an drei Kreuzen vorbei und über Bohez Brücken nach Neschwitz. Von diesen drei Kreuzen bis Bohez Brücken zieht sich ein langer, felsiger Hügel hin, ähnlica einem riesigen Damm; bewachsen ist er mit Kiefern und mit Birken und wird „Kschemjenja“ genannt. Über seine Entstehung erzählt man sich folgendes:

In alter Zeit wohnten hier zwei Zauberer - ein alter und ein junger. Der alte hauste ungefähr dort, wo jetzt Klein-Holscha liegt, und er hatte Macht, den Erdgeistern zu gebieten: der junge wohnte nahe bei Luga am Schwarzwasser, und die Wassergeister waren ihm untertan. Beide aber lebten in guter Freundschaft miteinander, so daß sie sich gegenseitig oft zu Gaste luden. Beim Male mußten die Geister desjenigen bedienen, der gerade der Gastgeber war.

Einst hatte der alte den junger eingeladen; sie aßen und tranken fröhlich, was die Erdgeister herzutrugen, bis sie betrunken waren; da begannen sie um die Wette, sich mit ihrer Macht zu brüsten; es dauerte nicht lange, da stritten sie sich, bis zuletzt Schläge nicht ausblieben. Weil aber der jüngere stärker war, hetzte der alte seine Erdgeister auf seinen Gegner, so daß sie ihn weidlich durchprügelten. Doch der jüngere konnte entfliehen, und als er über ihre Grenze war und sie keine Macht mehr über ihn hatten, drehte er sich um und rief: „Ich werde mich rächen; wir werden sehen, wer der Stärkere ist!„ Dann lief er zu seiner Wohnung. Zu Hause angekommen, rief er alle seine Wassergeister zusammen, daß es nur so wimmelte, und erzählte ihnen, wie es ihm ergangen war. Darauf ließ er seine Geister auf den alten Zauberer los und befahl ihnen, es sollten die Bäche, Quellen und Wolken Wasser ausgießen, was sie nur könnten. Da strömte es aus den Quellen, die Bäche schwollen an, die Wolken zogen sich zusammen, und es floß Wasser aus ihnen herab. Eine Überschwemmung entstand, ähnlich der großen Sintflut, und wälzte sich zu des alten Zauberers Wohnung hinunter. Der stand gerade vor der Haustür. Als er erkannte, daß die Flut auf ihn zu kam, erschrak er sehr und rief seine Geister zusammen, sie sollten das Wasser abdämmen, damit es nicht über ihn käme. Da trugen die Geister Sand, Steine und Lehm zusammen, so schnell sie nur konnten, und bauten große Dämme, und er half ihnen dabei fluchend und seinen Gegner verwünschend. Aber es nützte nichts: Das Wasser durchbrach die Dämme dort, wo jetzt Bohez Brücken sind, wälzte sich auf sein Häuschen und warf es um, und der alte Zauberer ertrank. Als er tot war, hörte das Wasser auf zu strömen und fiel, so daß bald alles wieder trocken wurde. Wo die Dämme zerrissen waren, hatte das Wasser viele Vertiefungen ausgewaschen. Diese sind heute nicht mehr zu sehen, sie sind wieder zugeschüttet bis auf eine, die am größten war und die man jetzt „Pfarrers Kessel“ nennt. Sie ist noch heute zu sehen, nur ist sie nicht mehr so groß und tief wie einst. In ihr haben die Wassergeister noch lange ihre Menschenopfer gefordert, und viele Menschen sind dort ertrunken.

Quelle: Erich Krawc, „Sagen der Lausitz“, Domowina Verlag 1962;