<<< zurück | Sagen der Lausitz | weiter >>>

Die goldene Kutsche im Neschwitzer Schloß

Einst war ein reicher Graf in Neschwitz. Der hatte zwei Söhne. Die hatte er lieber als alle anderen Menschen und wollte ihnen zu Weihnachten eine besondere Freude bereiten. So bestellte er zwölf Mönche, die geschickte Goldschmiede waren. Sie sollten aus den Schätzen, welche die Grafen angesammelt hatten, eine Kutsche bauen ganz aus purem Golde. Die Söhne durften aber nichts davon erfahren. Deshalb mußten die Mönche ihre Arbeit in den zwölf tiefen Kellern, die sich unter dem alten Schloß befinden, verrichten und durften nur nachts ausgehen. Trotzdem geschah es, daß die beiden Jungen etwas merkten - vielleicht hatten sie das Pochen und Hämmern gehört. Oder hatten sie gar die Mönche belauscht - niemand weiß es zu sagen. Die Kutsche war gerade fertig geworden. Als sie vor dem Vater mit ihrer Entdeckung prahlten, wurde der furchtbar böse und glaubte, die Mönche hätten alles verraten. Aus Arger, daß seine Überraschung mißglückt war, sollte nun überhaupt niemand die goldene Kutsche bekommen. Er verzauberte die Mönche, daß sie auf ewig in den Kellern bleiben und den Schatz bewahren sollten.

So stand nun der Wagen im zwölften Keller. Gar mancher hat schon gedacht, bis dorthin vordringen zu können und sich vielleicht ein Stückchen von dem Golde abbrechen zu können. Aber schon im dritten Keller traf er auf die furchtbaren Wächter, die bisher noch jeden vertrieben haben.

Die Mönche hatten übrigens im Schloß eine Stube, in der zwölf Betten standen. Eine Frau mußte täglich zu einer bestimmten Stunde die Betten herrichten, sie wußte aber nicht, wer darinnen schlief. In jedem Bett war immer nur eine kleine Vertiefung, so, als ob dort eine Katze gelegen hätte, und darin lag jeden Tag ein Goldstück für das Bettenmachen. Einmal aber ist die Frau furchtbar erschrocken. Sie war etwas früher gekommen als zu der gewohnten Stunde. Da lagen in den Betten zwölf graubärtige Männer, die ihr grausame Blicke zuwarfen und ihr drohten, sie würden sie töten. Weil aber die erschrockene Frau gar so ängstlich bat, ließen sie ihr das Leben, aber sie durfte niemandem etwas davon erzählen.

Heute stehen keine zwölf Betten mehr in dem Schloß, dafür aber große Schränke mit vielen Vögeln und Büchern, denn das Schloß ist eine Vogelschutzstation geworden. Ob aber in den Kellern noch die goldene Kutsche steht das weiß niemand zu sagen.

Quelle: Erich Krawc, „Sagen der Lausitz“, Domowina Verlag 1962;