<<< zurück | Sagen der Lausitz | weiter >>>

Der Feuersegen zu Bautzen

Es war zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Da kam eines Tages eine wandernde Zigeunerfamilie nach Bautzen. Eltern und Kinder waren wegemüde und krank. Am Stadttor machten sie halt. Die Mutter, noch am rüstigsten von allen, nahm ihre zwei Kinder an der Hand und ging von Haus zu Haus, um eine Unterkunft zu erbitten, während der Vater, vom Fieber gepeitscht, auf einer Bank vorm Tor zusammengesunken war.

Aber all ihr Bitten war umsonst, sie fanden überall verschlossene Herzen und Türen. Traurig kehrten sie zum Stadtausgang zurück und erwarteten ohne Obdach die feuchte, kalte Herbstnacht. Da kam ein Mann vorüber, der selber arm und dürftig aussah. Er fragte die Zigeuner, was sie denn zu später Stunde noch hier im Freien säßen.

Als sie ihm ihren traurigen Zustand geschildert hatten, erbarmte es ihn, und er lud sie ein, mit ihm zu kommen. Er besaß ein Häuschen in der Goschwitz unfern der äußeren Stadtmauer. Nachdem er sein bescheidenes Abendbrot mit ihnen geteilt hatte und sich alle durchgewärmt hatten, bereitete er ihnen ein Lager auf frischem Stroh.

So blieb es mehrere Tage, bis die Familie imstande war, ihre Reise in die Heimat nach Ungarn fortzusetzen. Beim Abschied sprach der Zigeuner: „ Wir wollen nicht von euch scheiden ohne einen Dank, der euch immer an uns erinnern soll. Euer Haus hat uns Obdach gegeben, als wir in Not waren. Dafür soll es von dieser Stunde an vor jeder Feuersbrunst geschützt sein. Und sollte die ganze Stadt einmal in Feuer und Rauch aufgehen, euer Haus soll unberührt bleiben!„ Damit murmelte er einen Feuersegen und zog mit seiner Familie von dannen.

Anfangs schenkte der Besitzer des Hauses den Versprechungen des Zigeuners wenig Glauben. Aber bald sollte es sich erweisen, daß des Fremdlings Worte zu Recht bestanden. Im Verlauf des Krieges besetzte der kaiserliche Oberst von Goltz die Stadt und ließ sie, als er später vor den Sachsen wieder weichen mußte, an allen vier Ecken anzünden. Die ganze innere Stadt brannte ab - nur jenes kleine Haus in der Goschwitz blieb verschont. Noch lange Zeit war das Haus bewohnt, 1840 wurde es wegen Baufälligkeit niedergerissen, der Platz wurde eingeebnet und als Garten benutzt.

Eine ähnliche Sage berichtet, daß eine kranke Zigeunerin, die mit ihrer Familie nach Bautzen gekommen war, nirgends in der Stadt Aufnahme gefunden habe; endlich erbarmten sich die mitleidigen Insassen eines Hauses in der Mönchskirche der armen Heimatlosen, nahmen sie auf und pflegten die Kranke, bis sie genesen war. Beim Abschiede sagte die Zigeunerin: »Liebe Leute! Wir sind arm und können euch nichts geben für eure Liebe und Güte. Eins aber wollen wir euch zurücklassen: Ich will den Feuersegen über euer Haus sprechen, der soll 100 Jahre wirken!“ Darauf stieg die Zigeunerin auf das Dach des Hauses und sprach dort die Zauberformel. Beim Weggehen sagte sie noch zu ihren freundlichen Wirtsleuten: „Sollte einmal ein Brand bei euch ausbrechen, so deckt nur schnell einen Kuchendeckel auf den Schornstein!„ Der Feuersegen der Zigeunerin bewährte sich 100 Jahre und länger. Obwohl die Hütten innerhalb der Mönchskirche, die feuergefährdetsten in der ganzen Stadt waren, blieben sie doch immer vom Feuer verschont, so daß man in Bautzen sagte: „ln der Mönchskirche brennt es nicht.“ Bin einziges Mal geriet dort ein Schindeldach in Brand, die Flammen wurden jedoch schnell mit einem Kuchendeckel erstickt.

Schließlich muß aber der Feuersegen der Zigeunerin doch unwirksam geworden sein, denn am 11. Februar 1894 wurden die armseligen Hütten innerhalb der Mönchskirche ein Raub der Flammen.

Quelle: Erich Krawc, „Sagen der Lausitz“, Domowina Verlag 1962;