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In Sorau ist der Tod verbrannt

Im Jahre 1566 hatte ein Sorauer Bürger die Pest mit in die Stadt gebracht. Er zog in ein einsames Häuslein am Graben und starb daselbst, und alle, die ihn pflegten, starben einer nach dem andern in demselben Häusel. Als sie Alle todt waren, steckte man Feuer an das Haus und verbrannte Alles zu Asche. Da sagten die Leute in der ganzen Gegend: „O wer wird nun sterben können, ist doch zu Sorau der Tod verbrannt.“

Anmerkungen:

1. Ein neuer Beleg dafür, daß man, auch ohne gerade an die Pestgöttin Mara zu glauben, die Pest wie eine Person betrachtete.

2. Ein anderer, sehr merkwürdiger Aberglaube findet sich in derselben Sorauer Chronik von Magnus, S. 182: Ein Herr von Gablenz tödtete zu Sorau anno 1631 einen Herrn von Dyher, einen bösen Raufbold, der schon 14 Mordthaten auf seinem Gewissen gehabt hatte. Der von Gablenz aber nahm es sich zu sehr Herzen, daß er durch diesen einen Todschlag alle 14 Mordthaten des von Dyher auf sich geladen, ward darüber schwermüthig, ritt nach Sorau vor's Gericht und erschoss sich daselbst auf dem Pferde sitzend mit einem Pistol.

3. Da einmal vom Sorauer Aberglauben die Rede ist, so möge noch folgende Erzählung hier Platz finden, die theils eine Ergänzung zu der Sage vom verliebten Hengst in Sorau (s. I. 237), theils einen kulturgeschichtlich werthvollen Beitrag zur Kenntnis der theologischen Streitigkeiten zu Ende des 16. Jahrhunderts enthält: Eine vornehme Jungfrau zu Sorau war krank und mußte geschröpft werden. Man rief einen Badergesellen. Dieser setzte ihr die Schröpfköpfe. Aber kaum hatte sich der Badergeselle entfernt, so merkte die Jungfrau, daß er es ihr angetan hatte und daß sie nicht mehr von diesem Menschen lassen könne. Sie schnitt sich selbst in den Finger, um Gelegenheit zu haben, ihn wiederzusehen und ward vollständig liebeskrank. Groß war das Herzeleid der Aeltern. In dieser Noth wandten sie sich an den hochwürdigen Magister Streuber, welcher sich auch bereit finden ließ und der Jungfrau einen Trank braute, der wider solche heftige Liebesbrunst wirken sollte. Aber die Arznei wirkte nur zu gut, denn die jungfrau ward todtkrank davon und starb in wenig Tagen so daß sie von der Liebestollheit erlöst war. Magnus (S.73 ff.) berichtet über diesen M. Streuber so seltsame und gewiß zum Theil sagenhafte Dinge, dass ich nicht umhin kann, seine Erzählungen hier wiederzugeben: M.Steuber hatte sich mit Dr. Rivander, Superintendenten zu Forsta und zuletzt in Bischofswerda, über synkretistische Fragen also heftig veruneinigt, daß es zwischen ihnen zu groben Schimpfreden kam. Kivander sagte einmal zu ihm: Lieber Herr Doctor Peter, lasset es doch bleiben, mich werdet ihr nicht verführen, Christus und Belial haben nichts gemein. Da schwor Streuber Rache und trachtete seinem Widersacher nach dem Leben. Er miethete einen Studiosus und gab ihm Mordgeld, daß derselbige 1594 nach Bischofswerda ging, sich bei Rivander als Informator einschlich und denselben samnt seiner Gemahlin und dem jüngsten Söhnlein mit einer Karpfe vergab, daß alle drei sterben mußten. Der Mörder floh nach Prag, gerieth in Schwermuth, schrie einmal nach dem andern über Streuberum, daß er ihn zum Morde erkauft und beredet, ward endlich rasend und nahm ein Ende mit Schrecken. Den weiteren Nachrichten des Chronisten zufolge ward M. Streuber anno 1573 zu Sorau Superintendent. Er war ein unruhiger Kopf und synkretifischer Theologe, verdrängte seinen Vorgänger M. Gerlach durch List und Lügen, machte sich durch die „Hof -Frauenzimmer“ auf dem Schlosse beliebt, verführte seine Magd und verheirathete sie mit dem Glöckner („der merkte aber bald den Handel und jagte die H- zum Teufel“), stellte den Eheweibern und Jungfrauen nach, ward endlich seiner Stelle entsetzt und floh nach Böhmen, allwo er zu Brix katholischer Priester wurde, aber da er auch kein rechter Päpstier war und heimlich wieder evangelisch werden wollte, vergaben ihn die Pfaffen bei einem Bankett mit einem Trunt, davon er rasend wurde, an den Wänden kratzte und auf dem Misthaufen elendiglich umkam.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862