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Sorau und die alte Salzstraße

  Magnus S. 6.

Die alte Salzstraße von Sorau hat ihren Namen aus folgender Ursache. Als Anno 1379 Herr Johannes II. von Biberstein auf Sorau für den Kaiser gegen die widerspenstige Stadt Magdeburg zu Felde gezogen war, durch seine friedlichen Bemühungen aber die Fehde gütlich bei gelegt hatte, mußte ihm die Stadt Magdeburg zum Danke dreierlei versprechen:

  1. eine stattliche Summe Geldes zu geben;
  2. ihm zu Ehren und ewigem Gedächtniß auf öffentlichem Markte einen rothen Hirsch aufzurichten;
  3. alle Jahre ein Fuder Salz ihm und seinen Nachkommen mit sechs weißen Pferden, so noch jung wären, alljährlich nach Sorau aufs Schloß zu liefern; welches Alles sie auch richtig ihrem Versprechen nach gehalten, und mußte der Fuhrmann, der das Salz brachte, auf den Schloßplatze die Peitsche bei dem Wagen niederlegen, den Kittel ausziehen und also Wagen und Pferde, Kittel und Peitsche da lassen und wiederum zu Fuße nach Hause laufen. Zum Trinkgelde erhielt er nichts als ein alt Dütchen.

Dieses ist von 1379 bis 1512 alle Jahre richtig abgeführt, in dem benannten Jahre aber mit Gelde abgelöst worden, und ist nichts davon übrig, als daß die Straße nach Magdeburg bis auf den heutigen Tag die Salzstraße heißt.

Anmerkungen: Das Fuder Satz war kein gewöhnlicher Tribut, sondern eine symbolische Bürgschaft des fortwährenden Friedensvertrags. Das vor Verwesung schützende Salz sollte die Festigkeit, Reinheit und Dauer eines Bündnisses anzeigen. Beim Hochzeitmahle der Wenden (und zum Theil auch der Deutschen in der Oberlausitz) nehmen Braut und Bräutigam zuerst einen Bissen Brod mit Salz. Dann erst beginnt der Schmaus. Die Begleiterin der Braut, gewöhnlich eine alte Pathe, heißt „Salzmeste.“ So lange die Hochzeit dauert, müssen Brod und Salz auf dem Tische bleiben und wäre es eine ganze Woche lang. Daß der Knecht auch nicht das Geringste wieder mit zurücknimmt, ist ein ächt mittelalterliches Symbol vollständiger ungetheilter und wahrhafter Hingabe. Die weißen Pferde erinnern an die heidnischen Opfer. Der Hirsch ist wohl einfach das Bibersteinische Wappenzeichen. Vielleicht aber auch ein Symbol der Dauer des Vertrags. Der Hirsch ist ein Sinnbild der Fruchtbarkeit und des ewigen Lebens (Creuzer II. S. 189 - Norks Wörterbuch I. 118). Doch ist mir kein Beispiel einer Verwendung des Hirsches als Rechtssymbol bekannt.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862