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Die Zugaben (Pichidanki) von Nebendorf

  N.L. Mag. 1839 S. 361.

Auf dem Feldgebiete von Nebendorf geht ein Aderplan ein gutes Stück über die Grenzlinie hinaus, welche zu beiden Seiten desselben in gleichmäßiger Ferne das Weichbild des benachbarten Dorfes Reddern von dem Nebendorf'ichen trennt. Dieser Strich Landes führt den Namen Pichidanki, d. i. deutsch: die Zugaben. Wie er aber in den Besitz von Nebendorf gekommen ist, darüber geht folgende Sage.

In alter grauer Vorzeit waren durch Kriegeszerstörung und Seuchen viele Wirthschaften eingegangen und die Felder lagen zum großen Theil wüste, wurden jedoch von den übrigen Einwohnern beider Dörfer als Weideland für ihr Vieh benußt. Nach und nach waren die früheren Grenzzeichen verschwunden. Die Grenzländereien wurden von beiden Dörfen gemeinschaftlich als Weide benußt und als endlich eine Grenzberichtigung ausgeführt werden sollte, da gab es keinen Zeugen mehr aus der alten Zeit, als einen Greis unter den Nebendorfern, der als Knabe noch der letzten Grenzbezeichnung beigewohnt hatte. Beide Dörfer kamen überein, die Grenzlinie anzunehmen, die der Alte nach seinen Erinnerungen und seinem durch einen abgenommenen Eid gebundenen Gewissen ziehen würde. Die Nebendorf'schen hatten schon seit mehreren Jahren auf dem streitigen Flecke gejäet und geerntet, zweifelten aber selber an ihrem Rechte dazu, weil der Alte oft scherzweise geäußert, daß sie ja Kolonien auf dem Redder'schen anlegten.

Desto größer und freudiger war ihr Erstaunen, als an dem bestimmten Tage in Gegenwart der beiderseitigen Dorfbewohner der Alte zu Gunsten seiner Landsleute entschied. Den Grenzziehern vorausschreitend sagte er: „Wohin ich trete, da ist noch Nebendorf'icher Grund und Boden; darnach richtet Euch.„

Niemand wagte es, den Alten des Meineides zu verdächtigen und der Eid machte ein Ende alles Haders. Auf seinem Sterbebette aber vertraute der Greis seinen Freunden heimlich an, wie er seinem Dorfe ein gut Stück Feld zugewendet, das ihnen von Rechtswegen nicht gehörte, doch ohne zu sündigen. Er habe nämlich seine Schuhe damals mit Nebendorf'scher Erde gefüllt gehabt und daher richtig überall, wo er hingetreten, auf Nebendorf'schem Grund und Boden gestanden.

Anmerkungen: In einer andern Sage hat der Teufel bei dieser Grenzberichtigung sein Spiel getrieben, s. Th. I. No. 104.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862