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Der Götzentempel zu Jüterbog

  Scheibele, das Kloster, Bd. IX

„Daß das Städtlein Jüterbog eine heidnische Entstehung gehabt, davon hat Anzeige gegeben das uralte Templein, welches ungefähr um's Jahr 1560 ist eingerissen worden, darin der heidnische Götzendienst der wendischen Morgengöttin soll sein geleistet worden. Dieses Templein, welches auf dem Neumarkte bei dem steinernden Kreuz gestanden, ist von der Länge, Breite und Höhe bis an das Dach recht viereckig, von Mauersteinen aufgeführt gewesen, hat oben ein Kreuzgewölbe und darüber ein viereckig zugespitztes Dach gehabt. Die Thür oder Eingang von Abendwärts ist niedrig gewesen, so daß man im Eingehen sich etwas hat bücken müssen. Es hat auch keine Fenster gehabt, sondern nur ein rundes Loch mit einem starken Eisengitter verwahrt, gegen Morgen, und zwar genau gegen Sonnenaufgang zur Nachtgleiche, so groß als der Boden von einer Tonne, daß das Licht hineingehen können.“

Also hat's der Diakonus Hannemann zu Jüterbog von mehreren Personen, die noch Anno 1607 am Leben gewesen, beschreiben hören und in seiner in diesem Jahre herausgegebenen Jubelschrift treulich erzählt.

Anmerkungen: Hannemann hat die homerische Eos im Kopfe; darum spricht er von einer Göttin. Jutrovog war aber nach allen slavischen Mythologien ein männlicher Gott des Morgens und des Frühlings. Nach ihm heißt noch heute das Osterfest der Wenden - Jutry. Mehr über Jutrobog siehe bei der Ortssage von Milstrich.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862