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Jauernick

  Frenzel, hist. eccl. Schonav. p. 130. msc. 
  Ejd. Lexic. sclavic. I. 1081 msc. 
  Sammlung von Schön No. 69. Msc.

Das Dorf Jauernick bei Görlitz, in alten Schriften Javornick, Jalbernick genannt, liegt zwischen zwei hohen Bergen, von denen der gegen Morgen der Niederberg, der gegen Abend der Oberberg genannt wird. Der Niederberg heißt auch der Burgberg. An seinem Fuße liegt die Kirche und auf seiner Höhe, zu welcher jetzt eine bequeme Treppe hinaufführt, steht auf steinernem Postamente ein großes Kruzifix von Schmiedeeisen. Man hat dort eine reizende Aussicht ringsumher in die fruchtbaren Thalgelände der Neiße und weithin auf die schlesischen, böhmischen und Lausitzischen Bergzüge.

Der ganze Berg ist mit Laubholz bewachsen und man sieht nichts mehr von dem Wege, der von der Nordseite her hinaufführte, nichts von den Trümmern der Burg, die hier vor Zeiten gestanden haben soll, nichts von dem Wall und der Mauer, wovon sie umschlossen war. Noch vor hundert Jahren konnte man erkennen, daß die obere Spitze des Berges in einem Umkreise von 592 Fuß umwallt, und weiter unten rund um denselben herum eine Mauer von 2200 Fuß in der Runde geführt worden war. An der Mitternachtsseite war ein Theil dieses Raumes durch eine Quermauer abgeschnitten, und man nannte diesen Theil noch damals „den Hof“, ohne daß die Sage berichtete, zu welcher Zeit dort ein Schloß gestanden, wer es bewohnt habe und wodurch es zerstört worden sei. Alte Stöcke von umfangreichen Eichenbäumen, bis auf die Erde abgefault, bezeugen, daß vor vielen hundert Jahren schon die Burg in Trümmern fiel.

Die Sage berichtet von Jauernick Folgendes: Als in der Lausitz noch das Evangelium mit dem Heidenthume zu kämpfen hatte, kam einst der heilige Wenzel mit seiner frommen Gemahlin in unsere Gegend, um auf den dichtbewaldeten Bergen bei dem jetzigen Jauernick zu jagen. Mitten in der Jagd überfiel den König ein entsetzliches Ungewitter und der Königin ward angst und hange, daß sie laut zu weinen und zu schluchzen begann. Da tröstete sie ihr Gemahl mit den Worten „jaure nice“, d. h. wimmre nicht, und gelobte dem Höchsten eine Kapelle zu bauen, wenn er seines Lebens verschonen wolle. Der Sturm ging vorüber und der König hielt sein Versprechen und nannte die Kirche Jauernick.

Diese Kirche galt als die älteste in der OberLausitz. Sie war anfangs nur von Holz aufgeführt. Einer von Salza aber, der Pfarrer in Jauernick und hernach Bischof in Breslau gewesen, hat sie von Stein aufgebaut nebst dem alten festen Pfarrhause.

Anmerkungen:

1. Diese dem heiligen Wenzel gewidmete Kapelle war seit früher Zeit ein berühmter, mit Reliquien versehener Wallfahrtsort, und am St. Wenzelstage kamen noch in neuerer Zeit ganze Züge aus Böhmen herüber, die von den Jauernickern mit Fahnen und Gesängen empfangen wurden. Das Hauptstück unter den Reliquien war die Armröhre des heil. Wenceslaus. In einer Novembernacht des Jahres 1805 wurde sie aber gestohlen.

2. Der Name Burgberg, sowie der Wall und die Mauer bedingen nicht mit Gewißheit eine Burg, sondern, wie so oft, nur einen Opferplatz. (Vgl. Preusker II. 123.)

3. Javorny tommt ebenso gut wie die Stadt Jauer in Schlesien von Javor = Ahorn.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862