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Von Crescentius, dem Erbauer der Limasburg und von der großen Wendenschlacht

Um dieselbe Zeit, als die Landeskronenburg gebaut wurde, im Jahre 960, ward auch die Burg auf dem Limasberge erbaut. Dieser Berg liegt nicht weit von Königshain und sein jetzt ziemlich abgetragener Gipfel besteht ganz aus festem Granitstein. Der Erbauer war ein vornehmer Sorbe aus edlem Geschlecht, ein Heerführer der Sorben und stand mit Ziscibor, dem Herrn der Landeskrone, in einer genauen Verbindung. Die Geschichtsbücher nennen ihn Crescentius. Das mag aber wohl nur eine Uebersetzung des slawischen Namens pfchibislav, oder Prebislav, sein, welcher so viel bedeutet als der Wachsende. Auch dieses Schloß ward über die Maßen fest und ganz in derselben Art wie das auf der Landeskrone gegen Abend erbaut. Das Gewölbe, ganz in Stein gehauen, war noch fester als jenes.

Es ward auch ein vornehmer Götze dahin geseßt, den die Sorben Porovit nannten. Er stand in dem Erker des Vorhauses der Kapelle, welche oberwärts des Schlosses ebenfalls ganz in Stein gehauen war. Die Sorben strömten da zu Tausenden herzu und brachten dahin zum Opfer Gold und Silber und Menschen, die zu Ehren des Götzen verbrannt wurden. In böhmischen alten Schriften ist zu lesen, daß da viele hundert, ja tausend Menschen geopfert worden sind. Vor der Kapelle stand ein Altar, darauf wurden sie gelegt und verbrannt.

Als nun der deutsche Kaiser solcher greulichen Abgötterei in diesen Gegenden ein Ende machen und die Sorben zum christlichen Glauben bekehren wollte, kamen die kaiserlichen Kriegsvölker auch im Jahre 970 hierher und griffen zuerst die Landeskrone an, fanden aber harten Widerstand und vermochten es nicht, sie zu erobern. Da wendeten sie sich gegen den Limasberg. Als dies Crescentius erfuhr, welcher mit 5000 Mann auf den Königsshainer Bergen stand, nahm er 3000 Mann und rückte bis an sein Schloß, um dasselbe zu vertheidigen. Allein dort vernahm er von einem Landkundschafter, daß ein großer Trupp kaiserlicher Völker durch Reichenbach auf Königshain zu marschire. Demnach schickte er die 3000 Mann diesen entgegen auf der Hoyerswerdaer Straße und ließ sie auf einer Anhöhe eine Stellung einnehmen. Doch von zwei Seiten angegriffen, merkte er wohl, daß die Sache kein gutes Ende nehmen würde, übergab den Befehl dem General Reußner, eilte mit seinem Leibdiener, Andreas Winding aus Friedland in sein Schloß und befahl, sein ganzes Vermögen in das Gewölbe zu schaffen. Nachdem Alles fertig war, schickte er alle seine Bedienten fort, um ihm Nachricht zu holen, wie es draußen aussähe, und behielt nur den Leibdiener bei sich. Doch auch dem befahl er, sich dreihundert Schritt weit weg zu begeben. Den trieb jedoch die Neugier, aus einem Verstecke seinen Herrn zu belauschen und da sah er, wie derselbe einem alten grauen Manne in einem altmodischen Rocke alle seine Schätze übergab. Er hat es nachher, als er brod- und dienstlos umherirrte, gar Vielen erzählt.

Nun entspann sich eine sehr hitzige Schlacht zwischen den Deutschen und Sorben, in welcher viel Blut von beiden Seiten floß. Troß der tapfersten Gegenwehr mußten des Crescentius Leute weichen und sich auf den Limasberg zurückziehen, wo sie sich in dem Gebüsche festlegten und eine Weile hielten, bis sie in ihre Befestigungen zurückgeworfen wurden. Es war da nämlich an der Morgenseite eine Schanze, von wo aus die Bogenschüßen und die Schleuderer sich wohl vertheidigen konnten und auch viele Kaiserliche tödteten.

Gegen Morgen stand ein großes Gebäude, in welchem wohl hundert Pferde Raum hatten. Von der Schanze an bis an die Abendseite des Gipfels war eine stark befestigte Mauer, viele hundert Schritte im Umfange, so daß einige Tausend Mann innerhalb derselben aufgestellt werden konnten. Außerhalb der Mauer waren große Gruben gegraben und Pfähle mit eisernen Spitzen eingeschlagen, darüber aber Stangen und Aeste gelegt und Erde darüber geschüttet, so daß die Feinde hineinfallen und sich spießen mußten. Das Thor, welches an der Mittagseite in den Hof ging, war mit sehr starken eisernen Riegeln verwahrt und von außen mit eisernen Schienen beschlagen. Darüber war ein Thorhaus, auf dem wohl zwanzig Mann sich vertheidigen konnten.

Und die Sorben vertheidigten sich hartnäckig auf allen Seiten und wollten den Deutschen nicht weichen. Selbst das in die Veste geworfene Feuer that ihnen keinen Schaden, denn sie hatten einen köstlichen Brunnen im Hofe, dahinein konnten sie das Wasser in bleiernen Röhren durch eine geheime Kunst, die Niemand gewahr wurde, leiten und von unten auf den Berg ziehen, also daß es ihnen an Wasser zum Trinken wie zum Löschen niemals gebrach. Zudem war auf dem Berge eine gemauerte Cisterne, welche sie stets voll Wasser hatten. So hielten sie sich fünf Tage lang, bis ihnen die Lebensmittel ausgingen und sie sich ergeben mußten auf Gnade und Ungnade.

Da war aber von keiner Gnade die Rede. Die Deutschen, die selbst viel Leute verloren hatten, schonten nichts, sondern hieben Alles nieder, so daß nur sehr wenige dem Blutbade entrannen. Crescentius selbst aber stürzte sich auf der Mitternachtseite von der Burg herab. Einige sagen, er sei dort von den Kaiserlichen in Stücken gehauen worden. Im Spreewalde aber erzählt man sich noch heute, daß er auf wunderbare Weise erhalten worden sei und sich bis an die Spree geflüchtet habe. Dort seßte er sich auf ein aus Weidenruthen zusammengeflochtenes Floß, schwamm den Fluß hinab und kam wohlbehalten in der NiederLausitz an. Hier erbaute er das Schloß zu Burg und herrschte über die NiederLausitzer Wenden, als ein König, der Botmäßigkeit der Deutschen in dem unzugänglichen Spreewalde sich entziehend und ihren Waffen trotzend.

Nachdem diese nun die Limasburg erobert hatten, zerstörten sie dieselbe und brannten sie nieder. Hierauf wandten sie sich gegen die übrigen Sorben, die sich noch auf den Königshainer Bergen in der festen Stellung hielten, konnten ihnen aber nicht viel anhaben, da sie sich gar gut verschanzt hatten. Endlich aber besiegten und zerstreuten sie die Tapfern mit Hülfe des Markgrafen Gero, der von der andern Seite anrückte, so daß die Heiden von zwei Seiten angegriffen, gänzlich umringt und auf eine große Wiese zusammengetrieben wurden, wo sie nach muthiger Gegenwehr erlagen. Mittlerweile hatte Ziscibor die unter des General Tugomir Befehl stehenden Sorben herangezogen und fiel die vom Streite ermüdeten Deutschen mit 3000 Mann so heftig an, daß sie das Feld räumen und sich zurückziehen mußten. Bei diesem schrecklichen Blutbade kamen von beiden Seiten über 2000 Mann um.

Nachdem Ziscibor den Feind in die böhmischen Wälder und Berge getrieben hatte, kam er zurück und entsendete einen Theil seiner Krieger auf die Landeskrone. Mit den übrigen zog er auf den Limasberg in großer Trauer um seinen Freund Crescentius und das schöne Schloß, fand aber dort nichts als eine Brandstätte und wüste Mauern. Er machte sogleich Anstalt, die Burg wieder aufzubauen und berief dazu die bei Hoyerswerda stehenden Kriegsvölker, und das war um die Erntezeit. Die Truppen wurden auf allen Bergen umher vertheilt, um den Bau in diesen unruhigen und gefahrvollen Kriegszeiten zu beschützen. Eine Abtheilung blieb auf der Straße gegen Morgen stehen, die zweite stellte sich auf der Anhöhe bei Ebersbach, die dritte auf dem Königsteine, und eine vierte auf dem Hohensteine auf.

Der Bau wurde schnell vollendet, denn die Mauern waren stehen geblieben und nur das Holzwerk war heruntergebrannt. In einigen Wochen war Alles wieder in den alten Stand geseßt. Aber die Kapelle, worin der Abgott stand, wurde von Grund aus abgebrochen und ein neuer Altar auf den Königshainer Bergen errichtet, auch ein neuer Abgott verfertigt und aufgestellt. Die Spuren davon sind noch heutigen Tages auf dem hohen Granitfelsen zu sehen, welchen das Volk im Andenken an die dort dem Abgott Flins geschlachteten Menschenopfer den Todtenstein nennt.

Anmerkungen: Vgl. die Sagen von Königshain Th. I. No. 19., Th. II. No. 165 a., 166. Ueber den Flinß auf dem Limaš und den Namen bgl. Th. I. No. 5. Anmerk. 4. Wie der Limas berg (= Lindberg) bei dem Dorfe Liebstein (von lipa Linde, oder luba, der Liebesgöttin) liegt, so sind in der Muskauer Haide, am linken Ufer des schwarzen Schöps, die Dörfer Linda und Liebel (wend. luban) benachbart. Bei Alt-Liebel sind noch Neberreste einer Räuberburg. (Preusker II., 178).

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862