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Von Ziscibor, dem Erbauer der Landeskrone

Einst zierten die beiden Gipfel der Landeskrone zwei stattliche Schlösser sammt einem Meierhofe. Eine alte Grundmauer an der Mitternachtseite des Berges bezeichnet noch den Umfang des einen Schloßhofes; von dem andern, gegen Mittag gelegenen, ist keine Spur mehr vorhanden. Ihr Erbauer war Ziscibor, Herr auf Biska, Oberstlieutenant vom longobardischen Regiment, ein sehr kluger und tapferer Heerführer der Sorben und Abkömmling eines Wendenkönigs, den seine eigenen Leute im Jahre 856 ermordeten. Der Bau wurde im Jahre 952 nach Christi Geburt begonnen, da Otto I. römischer Kaiser und Gero Markgraf der Lausitz war und mit vieler Mühe und großen Kosten 954 zu Ende gebracht. Um die Baumaterialien auf den Berg zu schaffen, wurden in dem nahe gelegenen Dorfe Biska, welches jetzt Biesniß heißt, zwei ganze Jahre lang zwölf Pferde gehalten. Das Holz holte man aus der markgräflichen Haide Stambulum, die Steine brach man theils an der Landeskrone selbst, theils bei dem Dorfe Gerlois, woraus später die Stadt Görlitz entstand. Der Kalk wurde bei den Dörfern Hennsdorf und Ludwigsdorf, damalen Lumannsdorf genannt, gegraben und von einem Bauer, Namens Markus Sprengel, erkauft. Nachdem alles Nöthige herbeigeschafft und ein wohlgebahnter Weg auf die Landeskrone geführt worden war, fing man an, das Holzwerk auszuarbeiten, und das geschah unten am Berge an der Mittagseite. Die Steine, welche sehr groß waren, wurden größtentheils im Bruche schon zugerichtet, und man schäßte sie auf hundert Stöße.

Im Jahre 953 um Weihnachten und Lichtmeß wurde Alles auf Schleifen, vor welche man sechs Pferde spannte, hinaufgeschafft. Man brauchte dazu achtzehn Wochen. Nun gingen im Monat April die Maurer an die Arbeit und bauten zuerst das Wohnhaus in dem Meierhofe, zwei Stockwerk hoch, mit vier Stuben und einem sehr großen Pferdestalle. Dann ward gleich das erste Schloß auf dem höchsten Gipfel gegen Abend gebaut. Es hatte drei Stockwerke und ein welsches Dach, viele köstliche Gemächer und starke Gewölbe, und man wendete alle ersinnliche Mühe darauf, es so fest als möglich zu machen. Daher mischte man den Mörtel zu gleichen Theilen aus Kalk und Gyps, den man aus Schlesien herbeischaffte, und verankerte Alles mit eisernen Bändern. Die Gitter an den Fenstern der beiden untern Stockwerke bestanden aus armdicken Eisenstangen. Die drei Hauptthüren waren aus Bohlen zusammengefügt und von innen mit Eisen beschlagen und mit eisernen Schienen verfestigt. Jede Thür Hatte drei eiserne Riegel von der Stärke eines Mannsbeines. Die Gewölbe verwahrte man mit ganz eisernen Thüren und der Eingang dazu war auf eine verborgene und geheime Weise angebracht.

Bald aber wäre der ganze Bau im Anfange gleich unterbrochen worden und liegen geblieben, weil die Handwerksleute sich weigerten, weiter daran zu arbeiten, und das geschah also: Bald nachdem die Gewölbe fertig geworden, hat Ziscibor alle seine goldenen und silbernen Schätze, die überaus reich und kostbar gewesen, in einer Nacht hineinschaffen lassen. Am folgenden Tage, gegen Abend, ist ein alter, gräßlicher, zauberischer Mann mit dem Bauherrn den Berg hinauf und in's Schloß gegangen. Den Maurern aber, die eben Feierabend gemacht hatten, ist streng befohlen worden, in den Meier hof zu gehen. Keiner sollte sich unterstehen, ihn zu verlassen, bei Verlust seines Lebens. Der Maurermeister aber, mit Namen focant Faust, ein Sorbe und sächsischer Unterthan, ein verwegener und vorwitziger Mann, geht doch hinauf unter dem Vorwande, sich den Abriß von dem Schlosse, den er im Vorbause hatte liegen lassen, herunter zu holen. Als er nun heraufkommt, da steht die Thüre zu dem Schaßgewölbe offen, und der Bauherr ist mit dem Zauberer drinnen und reden so grausam stark mit einander, daß dem Meister die Haut schauert und er nicht weiß, wie er hurtig genug davon kommen soll. Das geschah am Abende vor Jacobi im Jahre 954. Des andern Tages, da der Meister wieder auf den Bau gekommen und sich nach der Thüre umgesehen, hat er von dem Eingange zu dem Schatzgewölbe keine Spur mehr gefunden und ist über die Maßen darob erscrocken. Noch mehr, Mittags um zwölfe, als alle Handwerker auf dem Baue beschäftigt waren, verspürten sie einen unterirdischen Stoß, der das ganze Haus erschütterte, und das wiederholte sich drei Tage hinter einander. Da wurde Allen ganz unheimlich zu Muthe und der Meister begehrte seinen Abschied, erhielt ihn aber nicht. Auch die Gesellen und die andern Handwerker wurden aufsäßig und wollten nicht mehr arbeiten. Viele liefen fort, unter den Uebrigen entstanden Händel und Schlägereien und es ward da eine große Verwirrung, also daß der Oberstlieutenant Ziscibor viel Noth hatte.

In seiner Bedrängniß schickte er eilig einen reisigen Knecht an den General Tugomir, welcher mit seinem ganzen Regimente in Pörtsch bei Budissin stand, und ließ ihn um seine Hülfe und Beistand bitten. Tugomir, so wie er den Brief gelesen hatte, ertheilte seinen Reitern sogleich Befehl zum Aufbruch und kam bei Nacht und Nebel unterhalb der Landeskrone an, umzingelte sie und bewachte sie so gut, daß kein einziger von den Arbeitern entrinnen konnte. Die Fortgelaufenen ließ er einfangen, an der Zahl hundert und funfzig; die arbeiteten nun fleißig den ganzen Sommer hindurch. Die Reiter aber verschafften sich ihren Unterhalt in den umliegenden Dörfern Mardorf, Holtendorf, Griesendorf, Eberhardsdorf, Compersdorf u. s. w. und plagten die armen Bauern weidlich.

Nun ward auch der Anfang mit dem andern Schlosse gemacht. Das ward nicht so prächtig gebaut wie das erste, aber auch sehr fest mit Gyps und Kalk drei Stockwerke hoch aufgemauert. In dem ersten und zweiten Stockwerke befanden sich die schönsten Zimmer und Kammern und an dem dritten waren anmuthige Söller und Erker angebracht. Von außen führte ein Gang rings um das Schloß herum. Es stand, wie gesagt, auf dem niedern Gipfel an der Mittagseite des Berges. Noch baute man daran einen Stall und einen Wagenschuppen und umgab das Ganze mit einer Mauer.

Nachdem Alles fertig war, zog der General Tugomir mit seinem Kriegsvolke wieder ab nach Friedland in die Winterquartiere und die Handwerksleute kehrten ein jeder in seine Heimath zurück, mit Ausnahme der Tischler, die noch sehr viel zu arbeiten hatten. Von den bei dem Baue beschäftigten Meistern ist der Maurermeister Focant Faust schon genannt worden. Der Zimmermeister war von Gabel aus Böhmen und hieß Marcus Dorheide. Der Tischlermeister war aus Prag und hieß Hans Scabino. Der Schlossermeister war auch aus Prag und hieß Franz Ziska. Der Maler aber, mit Namen Andreas Şaborvormius, war aus Frankreich.

In der zweiten Woche vor Weihnachten zogen der Oberstlieutenant Ziscibor und der Herr Zenco von Wartemberg mit ihren beiderseitigen Familien und ganzem Hofstaat auf der Landeskrone ein. Funfzig Mann Sorben wurden zur Bedeckung in den Meierhof gelegt.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862