<<< vorherige Sage | Dritte Abtheilung: Ortssagen | nächste Sage >>>

Gersdorf und seine Heiligthümer

  N. L. Mag. 1838 S. 385. 
  Oberlaus. Kirchengalerie S. 10. u. S. 305.

Bei Gersdorf liegt ein Berg, der heißt der heilige Berg und sein Gipfel der Todtenstein. Dort ist in alten Heidenzeiten greulicher Götzendienst getrieben worden, bis Markgraf Gero kam, der die heidnischen Priester tödtete und das Christenthum einführte, der hat auch das jetzige Dorf gegründet und nach seinem Namen Gerosdorf genannt.

Die Gegend war später dem heiligen Benno gar lieb und vom nahegelegenen Bischheim (Bischofshain), wo er ein Lustschloß hatte, kam er oft über die Berge hinüber nach Gersdorf. Daher rührt noch ein gepflasterter Fußweg, der über den heiligen Berg führt und die Mönchsmauer genannt wird. Von dem Berge führt auch ein unterirdischer Gang nach der Pfarre.

Auf dem heiligen Berge aber gründete Gero eine Kapelle der heiligen Walpurgis, einer Nichte des heiligen Bonifaz, welche in der Lausitz von Berg zu Berg gezogen war und den Heiden das Evangelium gepredigt hatte. Als sie gestorben war, hat man ihr überall und besonders auf diesen Bergen Standbilder und Bethäuser errichtet und ihr zu Ehren in der heiligen Walpurgisnacht überall auf den Bergen Feuer angezündet, dafür beschützt sie das Vieh vor Behexung. Wer aber am dritten Pfingsttage, sowie an Walpurgis und Margaretha zu dieser Kapelle wallfahrtete, der hatte hunderttägigen Ablaß für seine Sünden.

Anmerkung:

Die Freudenfeuer am Walpero- oder Walpurgisabende, welche noch überall in der Oberlausitz, wo nicht etwa eine Wohllöbliche Polizei dem Gebrauch ein Ende gemacht hat, auf Anhöhen und Bergen entzündet werden, sind bekanntlich nicht christlichen Ursprungs, wie obige Sage vorgiebt, sondern Ueberreste des heidnischen Frühlings- oder Maifestes. Im Wendischen werden bei Anbruch dieser Nacht in den Ställen alle Kühe gemolken und abgefüttert, die Stallhüren zugemacht und mit den Buchstaben der heil. Drei Könige C. + M. + B. bezeichnet, damit die Hexen auf ihrer nächtlichen Fahrt nach dem Blocksberge, zu der sie sich auf den zahlreichen Buckelsbergen der Lausitz versammeln, dem Vieh keinen Schaden zufügen. Auch sonstige Zeichen, Ringe und Kreuze und besonders grüne Reiser findet man an den Hof-, Haus- und Stallthüren. Dann versammelt sich die Jugend des Dorfes auf einem freien und hoch gelegenen Platze, entzündet ein großes Feuer und eine Menge Besen, welche die liebe Jugend schon seit Wochen auf diesen Abend hin überall her zusammengemaust hat. Hand an Hand tanzt man um das Feuer herum und mit den Besen in der Hand durch die Felder und Wiesen. (Denn so weit die heilige Flamme leuchtet oder getragen wird, so weit wird die Gegend fruchtbar). Gefährlich ist es, diesen Abend ohne einen solchen Brand in den Händen über einen Kreuzweg zu gehen, weil auch dort die Hexen ihr Wesen treiben. Das Besenanzünden heißt bei den Wenden kuslarnicje palič oder khodojta palic - Hexenbrennen.

In der Wendei giebt es schon am Walpurgistage ein Kinderfest. Die Kleinen nehmen Weidenruthen, machen daraus einen kleinen Galgen und springen hinüber. Wer ohne anzustoßen hinüberspringt, hat das Jahr über nicht nur selber Glück, sondern es hängt auch der Eltern und der ganzen Hauses Wohlergehen von diesen Kindersprüngen herum, ab, besonders in Bezug auf den Viehstand. Dieses Spiel heißt Galgenspringen (pšez sibenen skakac).

Die Fortsetzung dieses nächtlichen Festes beginnt bei Anbruch des ersten Maitages und schließt sich zuweilen unmittelbar dem Walpurgisfeste an, indem die Burschen sogleich von dem Feuerplatze aus in den Wald gehen, um junge Birken, Maibäume, zu fällen, die dann - nach Gelegenheit mit Blumen und Bändern geschmückt - vor den Häusern des Dorfes, besonders aber dort, wo des Burschen Schatz oder Braut wohnt, aufgepflanzt werden. In der Mitte des Dorfes aber wird ein vorzüglich hoher Baum eingerammt. Dort bleibt er in der Regel bis zum Himmelfahrtstage stehen. An diesem Tage wird eine Zeit lang um ihn herumgetanzt, während dem aber der Boden rings herum abgetragen, bis er zum Fallen kommt. Wer nun von den Burschen das Glück hat, zuerst an den Wipfel hinzukommen und ihn abzubrechen, ist der Held des tages, wird auf eines andern Schultern gesetzt und unter Musik und Jauchzen in die Schänke getragen. Dort hat er den Vortanz. Die Mainacht war in Heidenzeiten das Fest der öffentlichen Opfer und Volksversammlungen. Als das Priesterthum in´s Hexenthum überging, wurde sie der Hexensabbath (cf. Grimm. Mythol. S. 591).

Der Maibaum findet sich schon in den Festen der Indier. Er soll die emporblühende Lebensfülle des Mais versinnlichen und sein Original in dem aufgerichteten Zeigefinger des Liebes- und Lebensgottes Schiwa haben, - schließlich vielleicht ein Phalluszeichen sein. Die Birken sind mit ihren Winterknospen und ihrem hellen Grün ein schönes Bild der Lebenskraft und Lebensfreude. Weidenstäbchen dienten nach Herodot (IV. c. 63) zum Wahrsagen. Im Norden wurden die Runen aus Weidenstäbchen zusammengesetzt. Es waren prieserliche Utensilien.

Das Springen der Kinder würde einer ausführlichen Erklärung bedürfen, die hier keinen Ort hat. Nur soviel: Bei der wendischen Hochzeit muß die Braut nach beendigtem Schmause über die Tafel steigen und von da heramspringen. Zu Fastnacht soll man desgleichen tun, dann wird der Flachs lang.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862