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Vorboten der Pest

  Frenzel, hist. nat. III. 1545. msc.

I. Anno 1584 im Anfange des Frühlings, als das neue Siechhaus vor der Stadt Budissin noch unausgebaut war und weder Fenster noch Thüren hatte, ist es geschehen, daß ein betrunkener Bauer, Namens Meister Simon, Abends aus der Stadt gegangen, sich in das halbfertige Haus begeben und daselbst eingeschlafen ist. Als ihn in der Nacht ein Ungewitter erweckt hatte, hat er ein grauenvolles Geschrei wie von vielen weinenden Menschen vernommen, davon das ganze Haus erfüllet gewesen ist, hat aber nichts gesehen. Diese Wehklage ist ohne Zweifel ein Vorbote der im Oktober darauf folgen den, fünfzehn Wochen lang andauernden Pest gewesen, in welcher gar viel Volks jenes Haus mit Wehklagen erfüllet hat.

II. Anno 1585 vom 24. August bis Anno 1586, den 21. Februar wüthete in Görlitz das sogenannte große Sterben, woran über 2300 Menschen ihr Leben einbüßten. Diese Pest wurde damit vorangedeutet, daß mitten im Sommer die wilden Gänse fortzogen, die Hunde greulich zu heulen anfingen und den 19. Februar 1585 der Blitz in das Rathhaus einschlug und ein Fenster beschädigte. Ebenso ward eines Nachts in der Mitte des Juli ein unausstehlicher Geruch und Geschmack wie nach glimmendem Feuer oder angezündetem Schwefel wahrgenommen, so daß man hier und da glaubte, es sei Feuer ausgebrochen. Es hat sich aber hiernach befunden, daß es ein giftiger Pestgestank gewesen.

III. Anno 1607 im August und September haben wider den Lauf der Natur in und um Görlitz die Rosen wiederum angefangen zu blühen, worauf das nächste Jahr eine kleine Pest erfolget ist, welche 83 Personen hinweg gerafft hat.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862