<<< vorherige Sage | Sechste Abtheilung: Schatzsagen | nächste Sage >>>

Der Schatz auf dem Stromberge - Zweite Sage

Eine Frau, die in einem der wenigen Häuser wohnte, welche am Fuße des Strombergs stehen, gewahrte eines Sonntags früh während des Gottesdienstes, wie an einer Stelle des Berges Funken aus der Erde hervor sprühten und blaue Flämmchen empor loderten. Augenblicklich nahm sie ihr Taschenmesser und warf es auf die Flämmchen, denn sie wußte gar wohl, daß man durch Draufwerfen von Metall den Schatz, der unter dergleichen Flämmchen zu liegen pflegt, vor dem Weiterrücken bewahrt. Dann lief sie in ihre Wohnung zurück, holte Hacke und Schaufel, fing rüstig an zu graben und siehe da! sie hatte sich nicht getäuscht, denn sie fand eine große Menge uralter Silbermünzen.

Eine andere Frau hatte von dem glücklichen Funde gehört und paßte nun alle Sonntage auf, ob sie nicht auch solche Flämmchen entdecken würde. Und richtig, einmal während des Mittagsgottesdienstes gewahrte sie die Funken und Flammen, warf ein Messer darauf und grub dann eine große, große Menge harter Silberthaler aus der Erde, soviel daß sie dieselben kaum in der Schürze bis in ihre Wohnung schleppen konnte. Sie konnte es nicht erwarten, die Summe zu erfahren, die sie gewonnen hätte, und zählte die harten Thaler auf Tischen und Bänken auf, daß Alles mit Silber bedeckt war. Aber wie sie im besten Zählen ist, däucht es ihr plötzlich, als hörte sie Feuerlärm. Das ganze Dörfchen scheint in Flammen zu stehen und die Lohe schlägt schon glühendroth ans Fenster. Sie läßt Alles stehen und liegen und eilt bestürzt hinaus, die Gefahr zu untersuchen. Draußen aber ist Alles still und in der größten Ruhe; kein Gedanke an eine Feuersbrunst. Da wird ihr unheimlich zu Muthe. Sie eilt ins Zimmer zurück, aber ihr ganzer Schatz war verschwunden.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862