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Der Schatz auf dem Stromberge - Dritte Sage

Ein reisender Kavalier aus Flandern kam auf seiner Reise nach Polen in die Gegend des Stromberges. Es war ein muthiger Herr und hatte immer Lust zu Abenteuern. Als er hörte, daß auf dem Stromberge unheimliche Geister ihr Wesen trieben, so war's ihm grade recht, und als es finster geworden war und Mitternacht heran kam, nahm er sein Schwert und bestieg den Berg. Der Vollmond mit seinen milchweißen Strahlen übergoß zauberisch die alten Schloßruinen und der Kavalier trat zu den Mauern der Burg. Alles war still und offen stand ein kleines Pförtchen. Der Held schritt hinein und kam in eine weite Halle, in deren Mitte eine mit Gold und Edelsteinen gefüllte Braupfanne und ein langer eiserner Kasten stand.

Ein Augenblick genügte, und die Halle hatte sich mit einer Schaar grauer Männchen gefüllt. Der Kavalier stand staunend an einem Pfeiler und wußte nicht, ob er seinen Augen trauen sollte. Da trat eins der grauen Männchen zu dem Kasten, stieß mit dem Fuße daran, aufsprang der Kasten und was lag darin? Ein langes, weißes, beinernes Menschengerippe. Es richtete sich langsam auf und wandte die hohlen Augen nach allen Seiten umher. Die grauen Männchen winkten freundlich dem Kavalier, näher zu der Braupfanne und dem Golde zu treten. Er that es, doch im Nu sank die Braupfanne unter fürchterlichem Getöse in ein unterirdisches Gewölbe hinab und der Boden verschloß sich wieder. Ein gellendes Gelächter erscholl aus dem Munde der Berggeister, das bleiche Gerippe aber verfolgte den aus der Halle fliehenden Kavalier mit einem blinkenden Messer in der knöchernen Faust. Sobald der Flüchtige außer dem Bereiche des Schlosses war, sah er sich wieder allein. Kein Lüftchen regte sich und schweigend blickte der volle Mond auf den bleichen Ritter und auf die hohen Schloßruinen herab; doch nicht mehr gelüstete es ihn, nochmals in das Gemäuer zurückzukehren.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862