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Pastor Pech, der Hexenmeister

  Nach Grässe, S. 481.

Zu Neukirch am Hochwalde lebte zu Ende des vorigen Jahrhunderts ein evangelischer Pfarrer, Namens Johann George Pech. Der war sehr gelehrt und verstand auch die schwarze Kunst und das Volk erzählt sich manche unheimliche Geschichte von ihm.

Es waren aber einmal zu Neukirch drei junge Burschen, der Lieb, der Lob und der Ehregott. Und der Lieb hatte zu Hause im Bodenwinkel ein Buch gefunden, das von geheimen Dingen handelte. Und er sagte es dem Lob, und der Lob sagte es dem Ehregott, und sie beschlossen, mit dem Zauberbuche den großen Schatz zu heben, der im Falkenberge vergraben ist. Es standen aber auch allerhand Beschwörungen in dem Buche und die drei Burschen beschlossen einen Versuch damit zu machen. Eines Abends kamen sie beim Lieb zusammen. Der holte aus dem Schranke das Buch, das war ganz schwarz und erfüllte die enge Stube mit einem unheimlichen Modergeruch. Und darin standen geschrieben schwarze, blaue und rothe Buchstaben, aber es war sehr schwer zu lesen.

Als die alte Wanduhr Mitternacht zu schlagen begann, da fing Lieb an zu lesen Wort für Wort und die Gefährten horchten aufmerksam zu. Und es dauerte auch nicht lange, da entstand ein sonderbares Geräusch in der Ofenpfanne, der Deckel hob sich und heraus sprang ein kohlschwarzer Ziegenbock. Der fing an sich auf die Hinterbeine zu erheben und nach seinem Schatten an der Wand zu stoßen. Da sagte der Lob: Hör auf, Lieb, der Zauber ist richtig, morgen geht's auf den Falkenberg und die Braupfanne ist unser.

Aber Lieb war einmal im Eifer und las immer lauter und schneller. Da that sich der Deckel der kupfernen Pfanne von neuem auf und heraus kam allerhand unheimliches Gethier und die Stube füllte sich mit schwerfälligen Eulen, krächzenden Krähen, plappernden Elstern, schwirrenden Fledermäusen, meckernden Ziegenböcken und anderen lang geschwänzen, krumm gehörnten, unbekannten und sonderbaren Geschöpfen. Lob und Ehregott riefen voller Angst: „Um Gotteswillen, Lieb, hör auf.“ Dem Lieb aber stand der Angstschweiß auf der Stirn – jetzt kam die Beschwörung zum Ende und da stand's: Wenn er die Gäste wieder los sein wolle, so müßte er die ganze Zauberformel – rückwärts lesen. Rückwärts lesen! das konnten Lieb und Lob und Ehregott alle drei nicht und ihre Angst wuchs, denn die Böcke fingen an, die Burschen von hinten und vorn zu stoßen. Es entstand ein greulicher Kampf in dem engen Zimmer. Lies das Teufelsbuch zurück, Lieb, schaff das Viehzeug fort, Lieb, riefen die beiden Andern in Todesangst. Da fiel dem Lieb zum Glück der Pfarrer ein und mit dem Ausrufe: Bleibt nur hier, ich werde sogleich Hülfe herbeischaffen, sprang er durchs Fenster ins Freie.

Der Pfarrer saß noch zwischen seinen großen Büchern in der Studirstube, als Lieb hastig bei ihm eintrat und in abgebrochenen Sätzen und unverständlichen Worten um Hülfe bat. Still, sagte der Pfarrer, ich weiß schon, ich habe schon seit einer Viertelstunde auf Dich gewartet, komm Lieb, wir wollen dem Spuk zeigen, daß wir Gewalt über ihn haben.

Gott sei Dank, ich komme nicht zu spät, rief der Pfarrer, als sie auf den Kampfplatz traten, ergriff das Buch und las die Beschwörung ohne alle Umstände rückwärts, worauf das Gethier mit sichtlichen Zeichen ohnmächtigen Widerstrebens seinen Rückzug durch die Ofenpfanne antrat. Als die Uhr Eins schlug, war Alles verschwunden.

Dankt Gott, daß ich noch fertig wurde, sprach er sodann. Wäre nach dem Schlage Eins noch ein einziges dieser Höllenthiere hier verblieben, so hätte Euch der Böse den Hals umgedreht. Ach, Herr Pfarrer, rief der Lob, ich bin am ganzen Leibe wie zerschlagen. Ach, Herr Pfarrer, rief der Ehregott, ich habe einen Knacks davon mein Lebelang. Aber der Pfarrer sagte ernst: Es hätte Euch der Seelen Seligkeit kosten können. Versprecht mir feierlich, nie mehr dergleichen zu versuchen. Das thaten sie zerknirschten Herzens. Der Pfarrer nahm das Zauberbuch zu sich und die Braupfanne mit Gold ruht noch bis auf diese Stunde im Falkenberge, denn Niemand weiß den Zauberspruch. Lieb und Lob und Ehregott sind aber alle drei in jungen Jahren verstorben.

Als Pastor Pech's Frau gestorben war und die Träger mit der Leiche schon vor dem Pfarrhause standen, da soll die Selige aus einem Fenster im ersten Stock ihrer Beerdigung zugesehen haben. Alles sei erstarrt vor Erstaunen und Furcht, der Pfarrer aber, schnell gefaßt, habe ein weißes Taschentuch hervor gezogen und nach dem Fenster hinauf gewinkt, darauf sei die Erscheinung sogleich verschwunden. Bei seinem eigenen Begräbniß 1808 soll er aber auch selbst zugesehen haben. Man zeigt noch die Maueröffnung am Kirchthurm, wo seine ehrwürdige Gestalt stand.

Vor seinem Tode hatte er seinen Angehörigen befohlen, einige seiner Bücher, namentlich das sechste und siebente Buch Moses, in deren Besitz er war, gleich nach seinem Ende zu verbrennen. Als dies nicht geschah, ließ sich der Geist des Pfarrers mehrmals mahnend sehen. Einmal soll er sogar durch die Esse, gleich einem Sturme, eingefahren sein, worüber eine Magd bis auf den Tod erschrak und starb. Die Bücher wurden endlich vernichtet und der Spuk hörte auf.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862