<<< vorherige Sage | Fünfte Abtheilung: Zaubersagen | nächste Sage >>>

Das gute Bergmännlein auf dem Hochwalde

  Gräve S. 130. 
  Winter, Constitut. Zeitung 1854. No. 208. 
  Grässe S. 574.

Auf dem Hochwalde bei Zittau, der nach dem „Wahlenbüchlein“ kostbare Edelsteine bergen soll, geht zu Zeiten ein kleines aschgraues Bergmännlein umher. Bart und Haar sind schleierweiß. Seine schwarze mit Roth verbrämte Kutte umschließt ein goldgelber Gürtel, auf dem Haupte trägt es eine trichterförmige grüne Mütze und in der Rechten einen bunten Stab. Dieses Männchen zeigt dem, der ihm in den Weg kommt, nicht blos Gold, Silber und Edelsteine, sondern vorzüglich auch wohlthätige Heilkräuter.

Einst lebte zu Olbersdorf ein gewisser Jakob Sahrer, den Einige den frommen Jakob, andere den hinkenden Boten nannten, weil er im dreißigjährigen Kriege als kaiserlicher Reitersmann einen Schuß ins Knie bekommen hatte, der ihn zum ewigen Hinken verurtheilte. Er war ein beliebter und wegen seiner Frömmigkeit auch geachteter Mann; Jeder kaufte ihm gern seine Heilkräuter ab, die er in den Bergen sammelte, oder gab ihm durch Botenschicken etwas zu verdienen. Auf solch einem Botenwege begegnete ihm einst das Bergmännlein. Das wußte wohl auch von seiner Frömmigkeit und daß er ein rechtschaffener Mann war, winkte ihm und führte ihn die Kreuz und Quer durch den Wald, bis sie endlich an einem kleinen Hügel ankamen. Dort schwang er seinen Zauberstab nach allen Himmelsgegenden hin, und senkte ihn dann auf die Erde. Da that sich der Hügel auf und es strömte hervor, wie ein Springbrunnen von lauter Gold, Silber und Edelsteinen, eine lange Weile. Das mußte nun der fromme Jakob Alles aufraffen und in seinen Mantel packen. Zum Abschiede gab ihm das Bergmännlein noch ein Buch und verschwand vor seinen sichtlichen Augen. In dem Buche aber lag ein Zettel, auf dem stand zu lesen in lateinischer Sprache eine Vermahnung, daß er seines Fundes sich mit Weisheit bedienen und der Armen und Kranken sich annehmen solle.

Utere bene memorque sis aegrotorum pauperumque.1)

Denn das Buch handelte von den geheimen Kräften der Wurzeln und Kräuter. Der brave Invalide hat mit seiner Hülfe noch vielen, vielen Menschen das Leben gerettet, und als er zu Ende des 17. Jahrhunderts selber starb seine sämmtlichen Reichthümer der Kirche und frommen Stiftungen vermacht. Jenes Bergmännchen aber ist der Geist eines weisen und wohlthätigen Mannes, der einst an der böhmischen Grenze lebte und weite Streifereien nach der Lausitz, wie auch in's Oesterreichsche unternahm, allenthalben den Boden untersuchte und die ersten Bergwerke in jenen Gegenden anlegte. Durch seine Wissenschaft der Kräuter und Wurzeln heilte er Menschen und Vieh selbst von der Pestkrankheit und dem schwarzen Tode. Die Leute aber, deren Aecker dem Bergbau übergeben worden waren, haßten ihn und überfielen ihn einst am Fuße des Berges, wo dann die Lausitzer seinen Leichnam gefunden, ihren Wohlthäter beweint und in jenem Hügel begraben haben.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862


1)
Verwenden Sie es gut und denken Sie an die Kranken und Armen.