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Wiederkehr eines todten Pfarrers

  Mündlich

Christoph Cato war einer von den evangelischen Geistlichen, welche in der Zeit der Jesuitenverfolgungen aus Schlesien vertrieben in den sächsischen Landen Zuflucht und Anstellung suchten; 1635 Pfarrer zu Sirgwitz, 1641 Diakon in Löwenberg und dort von der furchtbaren Reformations Kommission schon 1642 verabschiedet, gelangte er 1654 zum Pfarramte in dem oberlausitzischen Kirchspiel Schönbrunn. Ehe er am zwölften September 1665 starb, hatte er eine lange Unterredung mit seinem erwachsenen Sohne, der ebenfalls Christoph hieß, und nach Beendigung seiner Studien als Wittenberger Magister und Kandidat des Predigtamtes sich bei dem Vater aufhielt. Den Inhalt des Gespräches weiß man nicht; nur soviel ist bekannt, daß der Vater den Sohn, welcher in der Schönbrunner Gemeinde sehr beliebt war, zu dem Entschlusse zu bewegen suchte, nicht sein Nachfolger zu werden, und ernstlich in ihn drang, ihm vor seinem Tode zu versprechen, wenn man ihm das Amt antragen würde, es nicht anzunehmen. Nach langem Sträuben entschloß sich auch der Sohn, dem sterbenden Vater die Hand darauf zu geben.

Der alte Pfarrer starb und ward begraben. Sofort machte die Gemeinde dem Sohne den Antrag zur Uebernahme des erledigten Amtes. Dieser sträubte sich zwar Anfangs dagegen, und machte allerlei Umstände und Aus flüchte; allein da er von allen Seiten immer mehr bestürmt wurde, gab er endlich sein Jawort. Er mochte wohl denken: Es ist ja recht besehen doch nur eine Grille des Alten gewesen, daß ich nicht sein Nachfolger werden sollte, ich habe ihm nur das Versprechen gegeben, damit er ruhig sterben möchte, und es wird ja wohl nichts auf sich haben, wenn ich in diesem Falle mein Wort breche. Aber weit gefehlt; das Wort, dem Sterbenden gegeben, muß den Hinterbliebenen stets heilig sein. Hört, was geschah.

Des nächsten Sonntages, nachdem Cato, der Sohn, Gottesdienst gehalten und in der Predigt der Gemeinde seinen Entschluß kund gethan hatte, ihr Pfarrer zu werden, und er dann spät Abends dem Ereignisse des Tages in des Vaters Studirstube nachdenkt, stürzt auf einmal die alte Pfarrmagd herein und spricht athemlos: „Ach, Herr Magister, kommen Sie nur herunter, der Herr Vater ist wieder da, er sitzt unten vor der Hausthüre.“ Der Sohn erschrickt, macht sich aber sogleich auf, schreitet die Treppe hinunter und tritt in die Hausthür. Richtig, da sitzt der Verstorbene, wie sie ihn ins Grab gelegt, angethan mit seinem geistlichen Gewande, in der Laube an seiner alten Stelle, von wo aus er immer so gern der untergehenden Sonne nachgeschaut, und winkt dem Sohne, sich neben ihn zu setzen. Der thut's auch ungescheut und sie reden mit einander. Was das gewesen, weiß Niemand; denn der Magister hat nie es irgend einem Menschen vertraut und die lauschende Magd konnte kein Wort verstehen. Darauf erhob sich der Alte, ging über den Hof durch das Thor, welches sich von selbst öffnete und schloß, auf den Kirchhof zurück und verschwand an seinem Grabe. Das konnte die alte Hanne ganz deutlich sehen, während der Magister, der sogleich aufgestanden war, nachdenklich wieder hinauf in die Studirstube schritt.

Des anderen Morgens in aller Frühe ließ er den Schulzen kommen und erklärte ihm, es wären Umstände eingetreten, die es ihm unmöglich machten, das ihm angetragene Amt anzunehmen, er möge dies der Gemeinde bekannt machen. Dann zog er sich seinen Magisterrock an, ließ sich auf dem Hofe bei dem gnädigen Herrn anmelden und gab gegen ihn dieselbe Erklärung ab. Der aber wollte die Entsagung nicht annehmen, machte ihm alle möglichen Vorstellungen und entließ ihn endlich mit den Worten; „Lieber Magister, überlegen Sie sich's noch einmal recht reiflich! ich nehme Ihre Erklärung vor der Hand als nicht geschehen an.“ Als nun der Magister vom Herrenhofe kam, da wußte es schon das ganze Dorf, daß er nicht bleiben wolle, und Alt und Jung trat ihm in den Weg, begleitete ihn auf den Pfarrhof und bat ihn flehentlich und mit Thränen, daß er doch die Gemeinde nicht verlassen wolle. Wer hätte diesem Andrange widerstehen können?

Der tiefbewegte Magister schickte die guten Leute endlich mit der Aeußerung fort, daß er sich's noch einmal überlegen wolle. Nächsten Sonn tag predigte er wieder, that aber gegen die Gemeinde keine Aeußerung wegen seines Dableibens oder Wegganges. Abends genau um zehn Uhr, wie vor acht Tagen, saß der verstorbene Pfarrer wieder in der Laube, und wieder kam die alte Hanne und sagte es dem Sohne an, und der ging hinunter und redete mit dem Vater wohl eine halbe Stunde lang, worauf dieser auf den Kirchhof zurückging und verschwand. Die ganze Woche lang konnte der Magister zu keinem festen Entschlusse kommen; denn die Liebesbeweise der Gemeinde häuften sich und die Pfarrstelle ist eine der besten in der Gegend.

Aber nachdem die Erscheinung sich noch einmal wiederholt hatte, folgte er der ernstlichen Mahnung und hielt das seinem Vater gegebene Wort, indem er die Nichtannahme des Amtes bestimmt erklärte. Nun hatte der Geist seine Ruhe und die Erscheinungen hörten auf.

Anmerkungen: Die Sage stimmt nicht ganz mit der Geschichte. Nach Otto (Lexikon der oberlaus Schriftsteller und Künstler 1. 167.) war Cato der Jüngere siebenzehn Jahre Pfarrer von Schönbrunn, ehe er das Primariat in Löbau antrat, wo er im Jahre 1699 starb. Er hatte die Gewohnheit, die Hauptsätze seiner Vorträge im Reime zu bringen, und wir besitzen von ihm mehre dergleichen gedruckte Leichenpredigten; z. B.: Herzlich verliebtes und schmerzlich betrübtes Vorbild, wie Eltern sich von Herzen grämen, wenn ihre Kinder Abschied nehmen. – Die aus Gottes Gnad und Rath hocherbaute Gottesstadt. Der alte Vater Abraham vom Schubartischen Stamm, wie er in seinem Amte bestehet, wie es ihm in demselben ergehet, wie er von Jesu wird erhöhet.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862