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Ritter Wigand in Meffersdorf

  Breslauer Handschrift No. 13. Mse.

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts besaß Wigand von Gersdorff Meffersdorf mit mehren anderen zugehörigen Ortschaften. Er wird als ein sehr braver und rechtlicher Herr gerühmt, namentlich in Bezug auf seine freundliche Gesinnung gegen die böhmischen Auswanderer, denen er in seinen Besitzungen Hülfe und Zuflucht gewährte. Der durch Meffersdorf sich hinziehende Marktflecken Wigandsthal verdankt ihm seine Entstehung. Wie sehr das Volk geneigt ist, schauerliche Sagen an eine überhaupt hervorragende Person zu knüpfen, und wie der frömmste und achtbarste Ritter dazu kommen konnte, nach seinem Tode ein Gegenstand des Schreckens zu werden, eben weil hervorragendes Wissen und großes Ansehen auf das Volk dämonisch einwirkt, beweisen nachstehende Erzählungen:

Schon als Ritter Wigand begraben wurde, da hat er während seines eigenen Begräbnisses aus den obersten Fenstern des Schlosses heraus gesehen und ein gellendes Gelächter aufgeschlagen. Vor einigen Jahren kommt ein Bürger aus Wigandsthal mit seiner Frau von einem Abendbesuche zurück. Ihr Weg führt sie bei dem Schloßgarten vorüber. Da hören sie plötzlich einen Mann mit starken klirrenden Schritten auf sich zukommen, und wie er vor ihnen steht, da ist es der alte Ritter Wigand. Eine schwarze Rüstung umhüllt ihn, vom Haupte wallt ein rother Helmbusch, an den Füßen klirren goldene Sporen. Aber augenblicklich wendet er sich wieder um, springt leichten Fußes über die Schloßmauer und ist ihren Augen entschwunden. In dem nämlichen Augenblicke schlägt in dem Städtchen die zwölfte Stunde.

In einer finstern Oktobernacht rief der Nachtwächter im Schloßhofe die eilfte Stunde aus. Da sieht er am Ende der Schloßallee ein Feuer flammen. Neugierig und besorgt, was es sein möchte, geht er darauf zu. Je näher er kommt, desto größer wird die Flamme. Plötzlich knistert und brauset es daher. Auf einem rabenschwarzen Rosse, aus dessen Nüstern Flammen sprühen, sitzt in Feuer eingehüllt der alte Ritter Wigand. Unter seinem linken Arme trägt er sein Haupt, in dem sich die Augen grimmig herumwälzen. Er brauset die Allee in wildem Ritte herunter. Der alte Nachtwächter, dem vor Angst die Kniee schlottern, hört bald darauf die zwölfte Stunde schlagen.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862