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Friedrich Wilhelm IV. und der Pahlsdorfer Schäfer

  R. Scharnweber & O. Jungrichter: Sagen, Anekdoten und Schnurren aus dem Kreise Luckau, Berlin 1933

In Pahlsdorf lebte nach dem Franzosenkriege ein Schäfer. Der war ein sehr kluger Mann und konnte alle Krankheiten heilen. Er hatte das von seinem Vater gelernt, der war Scharfrichter. Aber er war sehr viele mal klüger und die Leute kamen von weit her und er mußte sie gesund machen. Er brauchte sie nur anzusehen, dann wußte er ihre Krankheit und sagte die Mittel dazu. Und die Leute brauchten gar nicht zu kommen, wenn sie nur ein Stück schickten, was sie angehabt hatten. Selbst dann konnte er ihnen schon helfen. Er war sehr wundertätig.

Einmal kam abends eine Kutsche angefahren und darin war ein kranker Mann. Der wollte gleich zum Schäfer. Aber der ließ es nicht zu. Denn die Leute kamen immer der Reihe nach und es waren noch ein paar arme Leute vorher dran. Endlich konnte der vornehme Mann auch in die Stube gehen. Der alte Schäfer sah den Mann an und ehe der gesagt hatte, was ihm fehlte, sagte der Schäfer: „Er hat die Wassersucht. Er muß nicht so sehr saufen, sonst steigt ihm das Wasser ins Gehirn und er wird verrückt.“

Da verfärbte sich der reiche Mann und erschrak sich und ging davon. Aber als er in der Kutsche wieder nach dem Sonnewalder Schloß fuhr, schickte er dem Schäfer eine Handvoll Goldstücke in die Stube. Der nahm sie und sagte: „Die sind für die Armen. Ich muß die Wahrheit sagen, auch wenn es dem König nicht gefällt.“

Und wie es der Pahlsdorfer Schäfer gesagt hatte, so kam es auch. Und als es dem König ganz schlimm erging, holte man den Schäfer nach Berlin. Er konnte aber auch nicht mehr helfen, weil Friedrich Wilhelm IV. nicht rechtzeitig auf den Schäfer gehört hatte.

Quelle: E.H.Wusch: Sagen meiner Heimat, eine Sammlung mündlich übertragener Sagen der Lausitz