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Das Feldkreuz bei Radibor

Mitten auf einem Feld bei Radibor erinnerte ein Feldkreuz an einen Knecht, der infolge einer unsinnigen Wette sein Leben verloren hatte.

An jenem Tage war das Gesinde von Radibor dort mit Feldarbeiten beschäftigt. Als man sich gerade zum Frühstück rüsten wollte, sah der Knecht einen Maulwurf, der auf ihn zugelaufen kam. Er packte den kleinen, blinden, samtenen Kerl, der sich in seiner Hand verzweifelt wand, und wettete um eine Kanne Branntwein, daß er das Tier als Zubrot verspeisen werde.

Die Wette wurde angenommen. Gespannt umstanden nun alle den Großsprecher und verfolgten, teils mit Ekel, teils mit Gelächter, das widerliche Schauspiel. Aber das Lachen sollte ihnen bald vergehen, denn der Bursche brach zusammen und verstarb unter fürchterlichen Qualen. Zur Mahnung und zum Gedenken errichtete man ihm an jener Stelle ein Kreuz aus Stein.

Einen späteren Besitzer des Feldes, den Bauern Waurik, ärgerte das Steinmal, da es mitten auf dem Acker stand und die Pflüge- und Erntearbeiten behinderte. Er ließ es deshalb durch seine Leute entfernen.

In der folgenden Nacht konnten weder der Bauer noch sein Gesinde Ruhe finden. Es polterte und krachte im ganzen Haus. Als sich der Spuk fortan täglich wiederholte, ging der Bauer schließlich zum damaligen Pfarrer Zschorlich und bat ihn um Rat. Der Pfarrer, der ein verständiger Mann war, fragte den Hofherrn, ob er irgendein großes Unrecht begangen habe. Dieser verneinte und beteuerte, er habe niemand bestohlen, niemand ums Leben gebracht und auch niemand hintergangen.

Doch der Geistliche drang immer weiter in ihn, bis sich Waurik an das Kreuz erinnerte. Mit Nachdruck tadelte ihn der Pfarrer wegen dieser Handlung und sagte: „Wenn dir das Kreuz im Weg war, hättest du es wenigstens an Ort und Stelle vergraben können. Es aber fortzubringen, war nicht recht. Ich kann dir nur eins raten, sieh zu, daß du den Frevel rückgängig machst.“

Der Bauer befolgte unverzüglich die Worte des Pfarrers. Er stellte das Kreuz eigenhändig an Ort und Stelle wieder auf, sprach ein Gebet für den Unglücklichen und bat ihn um Verzeihung für die unbedachte Tat. Von da an verrichteten Waurik und sein Gesinde, wenn sie auf dem Acker zu tun hatten, ein kurzes Gebet für den Verstorbenen, und von Stund an war auf dem Hof wieder Ruhe eingekehrt.

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